Grönland Rosas ReisenTundra

Grönland-Reisebericht: Die Tundra und das Inuksuk

Über Nacht hat uns unser Kapitän Kim in den Kuanerssuit suvdluat gebracht, einen langen, eisfreien Fjord. Nach dem Frühstück begeben wir uns mit den Zodiacs an Land. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei das Ufer nicht weit entfernt, doch nachdem es einfach nicht näherkommt, die Cape Race hinter uns aber immer kleiner wird, dämmert mir, wie riesig der Fjord sein muss. Am Ufer wollen wir zuerst ein paar Wasserfälle erkunden und uns dann auf die Suche nach warmen Quellen machen, die für eine ganz besonders üppige Vegetation sorgen. Querfeldein geht es los über die Tundra.

Tundra. Ein Wort wie ein Trommelschlag. Ein Wort, das ich schon sehr, sehr lange kenne, zu dem ich aber nie ein wirkliches Bild hatte. Nie hätte ich geglaubt, dass ich einmal hier stehen würde. Der erste Schritt ist eine Überraschung, die moos- und flechtenbewachsenen Buckel sind ganz weich und mit jeder Bewegung sinke ich federnd in den nachgiebigen Boden, der durchsetzt ist von kleinen Tümpeln.

Auf unserer kleinen Wanderung kommen wir ganz nah an die großen Wasserfälle, die sich von den uns umgebenden Felswänden herabstürzen. Ganz oben liegt immer noch Schnee. Auch die Wasserfälle sehen wieder kleiner aus, als sie in echt sind. Ich kann es mir natürlich nicht nehmen lassen, noch ein bisschen näher zu kommen, als die anderen, bis ich schon den Wassernebel auf der Haut spüre.

Wir lernen jede Menge Pflanzen kennen, zum Beispiel das Wollige Läusegras. Oder war es das Lausige Wollgras…mmmh. Ich bin ja nicht so die geborene Botanikerin. Trotzdem beeindrucken mich diese kleinen Blümchen, die überall den Boden der Tundra sprenkeln. Es ist nicht einfach zu wachsen, wenn man nur ein paar Wochen Sommer und viele Monate Schnee hat.

Kurz darauf sichten wir kanadische Wildgänse und schnuppern an würzigen Nadelgewächsen, die man für Tee verwenden kann. Was wir nicht finden sind die warmen Quellen, aber das macht gar nichts, schließlich erleben wir Grönland hier mit allen Sinnen. Ich könnte Stunden über die Tundra hüpfen. Da bin ich aber eher die Ausnahme und so rufen wir per Funk eines der Zodiacs. Während des Mittagessens an Bord sichten wir dann doch noch die Quellen.

Am Nachmittag stecken wir unsere Nasen in eine im Sommer genutzte, spartanisch ausgestattete Jagdhütte der Einheimischen und schauen uns zwei weitere Ruinenhügel an. Die sind immer noch nicht so wahnsinnig spannend. Erneut streifen wir durch die Tundra mit ihren kräftigen Erdfarben und hinter jedem Hügel tun sich neue, unglaubliche Ausblicke auf.

Nirgendwo sind Menschen zu sehen, außer uns, wir sind ganz allein in diesen unglaublich endlosen Weiten. Es gibt keine Wege oder Straßen, nur unberührte Natur. Man könnte meinen, dass man sich hier, ohne irgendwelche Menschen im Umkreis von vielen, vielen Kilometern, einsam fühlt. Ich fühle mich frei. So frei wie lange nicht mehr.Wir kommen zu einem kleinen Turm aus aufgeschichteten Steinen und Sven erklärt mir, dass das ein Inuksuk ist. Das bedeutet wörtlich “wie ein Mensch aussehend”. Dieses Türmchen hat einerseits den ganz praktischen Zweck, Tiere zu verunsichern und sie so auf bestimmte Wege zu bringen um sie besser jagen zu können.

Andererseits haben sie auch eine spirituellere Bedeutung. Sie sind Wegweiser und das nicht nur im geografischen Sinn, sondern auch um den Weg zu sich selbst zu finden. Man nimmt den obersten Stein und berührt damit sein Herz. Wenn man das beides weiß, ist einem völlig klar, warum es die Grönländer massiv stört, wenn Touristen diese Türmchen aus Jux und Dollerei einfach irgendwo errichten.

Was bisher geschah:

Ankunft in Ilulissat // Der Eisfjord und die MS Cape Race // Auf Qeqertarsuaq

Wie es weitergeht:

Lost Place Qullissat // Die Arktis ist mein Spielplatz // Der Eqi-Gletscher und mein Bad im Polarmeer // Stupid, reckless things // You’re now leaving the Arctic – come back soon!

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert