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Expeditionskreuzfahrt Grönland: Unterwegs auf der Disko-Insel Qeqertarsuaq

Wie sieht für euch der klassische Hochzeitstag aus? Trauung, Spiele, Essen und Party? Grundsätzlich schön, aber wie wäre es mit: Eisbergen, Tiefschnee und Schlittenhunden? Begleitet mich auf einen Ausflug auf die Disko-Insel, auf Qeqertarsuaq!

Um 11.30 Uhr haben wir an Bord der Sea Spirit geheiratet, das Mittagessen gab es noch in vollem Ornat, aber dann heißt es, raus aus Kleid und Anzug und rein in arktistaugliche Kleidung. Denn mittlerweile hat unser Expeditionsschiff vor Qeqertarsuaq angelegt und die Zodiacs sind bereit, uns an Land zu bringen.

Wanderung zum Qolortorsuaq-Wasserfall?

Geplant ist eine Wanderung zum Qolortorsuaq-Wasserfall, den ich 2017 auf meiner ersten Grönland-Reise schon bewundern konnte. Alternativ hätten wir auch wieder mit den Kajaks rausfahren können, doch mein frischgebackener Ehemann verzichtet mir zu Liebe darauf. Denn ich will unbedingt wieder Fuß auf die Disko-Insel setzen.

Aber es kommt anders: Heute, am 4. Juni, versinkt Qeqertarsuaq im Schnee. Auf dieser fantastischen Reise sind wir bereits einige Male auf mehr Eis als gewöhnlich gestoßen, dennoch sind wir überrascht, als wir von der Expeditionsleitung erfahren, dass wohl heute sogar noch die Hundeschlitten unterwegs sind. Das ist doch mal eine schöne Überraschung am Hochzeitstag!

Wanderung durch Tiefschnee!

Kaum haben wir den Ort hinter uns gelassen, versinken wir mit jedem Schritt knietief in der weißen Pracht und unser Guide Günther ist drauf und dran das Unterfangen abzubrechen. Schließlich sind nicht alle Teilnehmer der Expeditionskreuzfahrt für solche Touren gewappnet. Aber dann sehen wir zu unserer Linken drei Sikiläuferinnen, die sich auf festem Untergrund zu bewegen scheinen.

Es ist zwar keine gespurte Loipe, aber immerhin ein einigermaßen stabiler Pfad, der dort von Schneemobilen und Hundeschlitten planiert wurde. Und da wir eh keine Alternative zum laufen haben, wandern wir darauf in die weiße Wildnis der Disko-Insel. Traum in Weiß, Tag in Weiß – als hätte Grönland gewusst, dass ich heute heirate, präsentiert es sich ganz wie die Braut. Und ich liebe es. Schnee an meinem Hochzeitstag, für mich perfekt!

Mein Mann und ich ziehen langsam an unseren Mitwanderern vorbei und irgendwann laufen wir an der Spitze des Zuges roter Poseidon-Jacken. Damit erschließt sich uns ein völlig ungestörtes Panorama, bis auf die Skiläuferinnen, die wir auf der nächsten Kuppe einholen. Eine von ihnen trägt eine lange Stange auf dem Rücken. Es handelt sich um eine Art Schraube, mit der Bohrkerne zu Forschungszwecken aus dem Boden entnommen werden können, denn bei den Damen handelt es sich um Wissenschaftlerinnen.

Sie warnen uns, dass der Trail nur noch ein paar Meter weiterführt. Wir laufen dennoch auch das letzte Stück, das schließlich in einer Schleife zurückführt. Um uns herum ist nichts, alles ist weiß und unberührt von menschlichen Spuren. Wie unglaublich schön. Ich bin so dankbar, das an meinem Hochzeitstag erleben zu dürfen.

Der schwarze Strand von Qeqertarsuaq

Auf dem Rückweg verlassen wir die Gruppe und den Pfad, kurz bevor wir die Siedlung erreichen. Mein Mann betätigt sich als Schneepflug und fräst uns mit seinem Körper eine Schneise quer über das Fußballfeld des Dorfs. Denn linkerhand liegt nun der schwarze Strand von Qeqertarsuaq, übersät von Eisbrocken. Und den sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen.

Während draußen in der Bucht richtig große Eisberge treiben, ist das angetriebene Eis schon deutlich geschrumpft. So wird der Strand für uns zum Abenteuerspielplatz und wir zu Kindern. Wir klettern auf die Brocken, liefern uns eine kleine Schneeballschlacht oder machen Blödsinn mit den langen, gläsern wirkenden Eiszapfen.

Überall gibt es am schwarzen Strand etwas zu entdecken: blaue Muscheln, die am Stein festgewachsen sind, verheißungsvolle Höhlen, die erkundet werden wollen oder angeschwemmte Eisstücke, die aus der Ferne wie Robbenbabys aussehen (Ich war dann schon etwas enttäuscht, muss ich gestehen.).

Eisberge in der Disko-Bucht

Auch der Ausblick ist ein fesselndes Schauspiel, denn die Eisberge haben die unterschiedlichsten Größen, Farben und Formen. Mal entdeckt man einen Bogen, mal ein pilzartiges Gebilde oder etwas, das entfernt an Nessie von Loch Ness erinnert.

Der Himmel ist dramatisch mit grauen Wolken verhangen, doch immer wieder bricht Licht hindurch und wird von dem Eis zurückgeworfen. Irisierendes Blau und strahlendes Weiß auf dem dunklen Blaugrau des Ozeans. Es ist wie im Märchen. Wenn dann noch ein Schwarm Vögel vorbeizieht und sich schwarz vor den Eisbergen abzeichnet, hat man wirklich das Gefühl, mitten in einer Naturdoku zu stehen.

Die Schlittenhunde von der Disko-Insel

Wie eingangs schon erwähnt, hatten wir ja die Information, dass die Grönländer auf Qeqertarsuaq immer noch mit den Schlittenhunden unterwegs seien und auf unserer Wanderung hatten wir uns anhand der Spuren selbst davon überzeugen können. Wer mich ein bisschen kennt, der weiß, dass ich Schlittenhunde liebe. Schließlich habe ich einen Winter in Finnland verbracht und sie trainiert und war auch in Lappland und auf Spitzbergen mit ihnen unterwegs.

Für mich war daher klar: Ein Besuch muss auf jeden Fall auf den Tagesplan. Ich wiederhole mich, aber kann sich jemand einen besseren Hochzeitstag vorstellen? Trauung auf dem Schiff, Schnee, Eisberge UND Schlittenhunde! Um sie zu finden müssen wir auch nur unseren Ohren folgen, wie schon in Sisimiut. Wir schlendern durch den Ort, bis wir zu einer offenen Talsenke kommen. Und da sind sie!

Dutzende Schlittenhunde sind hier angekettet und vertreiben sich die Langeweile mit Schlafen, Heulen und Spielen. Der Schnee ist so tief, dass wir die Straße nicht verlassen können und die Hunde von dort aus beobachten. Das ist aber grundsätzlich auch sinnvoll, den grönländische Schlittenhunde sind keine Schmusetiere. Sie sind sehr wild, werden für die Arbeit abgerichtet und auch dazu, im Notfall einen Eisbären anzugreifen. Streicheleinheiten sind sie hingegen eher nicht gewohnt.

Ein trauriger Moment an einem perfekten Tag

Wie sehr das gegen meine innerste Herzensregung geht, wird mir dann auch in den folgenden Minuten schmerzlich bewusst. Auf dieser Reise erlebe ich fast nur schöne Momente, doch der nächste soll sich bitter einbrennen. Wir gehen die Straße weiter hinab und treffen auf drei kleine Jungen, die direkt vor ihrem Haus Tauziehen mit einem sehr niedlichen Welpen spielen.

Ich bleibe stehen und grüße und schaue mir das so harmlos wirkende Spiel an. Ein Foto mache ich natürlich nicht, denn das wäre ohne Einverständnis der Eltern übergriffig und unverschämt. Mein Mann will mich schon weiterziehen, er ahnt, was gleich passieren wird und will mir das ersparen. Mir fehlt diese Intuition in dem Moment völlig. Ich bin so gebannt von dem kleinen, unschuldigen Hund, dass ich wie festgefroren stehenbleibe. Der Anblick macht mich so froh.

Doch dann rennt einer der Jungen los. Vielleicht feuert ihn unsere Anwesenheit an und er will beweisen, wie cool er ist. Er holt eine leere Colaflasche aus Hartplastik. Und mit dieser schlägt er den Welpen dann mit voller Kraft auf den Kopf. Einmal. Zweimal, Dreimal, Viermal. Dabei lacht er. Der Welpe versteht gar nichts, duckt sich verängstigt und winselt vor Schmerz. Er versucht auszuweichen, aber die Jungen halten ihn fest.

Die harte Wahrheit

Mir wird schlecht. Die Tränen brennen schon in meinen Augen. Am liebsten würde ich loslaufen, dem Jungen die Flasche aus der Hand reißen und…Ich konnte Gewalt gegen Menschen schon immer besser ertragen, als gegen Tiere. Stattdessen tue ich das Einzig vernünftige, so traurig es klingt. Ich drehe mich um und beginne, die Straße runterzulaufen. Weg von dem Geschehen.

Mein Mann ist neben mir, drückt meine Hand. Ich sehe ihn an, will mein Entsetzen in Worte fassen, aber es geht nicht. „Ich weiß“, sagt er und schaut mich traurig an. Der Zauber des Tages beginnt sich aufzulösen, wie wirbelnder Schnee im Nichts der windgeplagten Tundra. Aber das lasse ich nicht zu. Ich versuche, das eben noch so warme Glück festzuhalten.

Denn ich weiß, dass das hier nun mal so ist. Und dass ich kein Recht habe, mich einzumischen. Dass es nur Kinder sind. Dass die Hunde hier noch viel Schlimmeres erleiden müssen. Dass ich mich nicht als Moralapostel aufspielen darf. Und trotzdem…die Unbeschwertheit ist fort. Schweigend kehren wir um Richtung Dorf.

Der Ort Qeqertarsuaq

Es ist gut, dass Qeqertarsuaq so unglaublich schön ist. Eine Schönheit, die durch den weißen Schnee im Kontrast zu den bunten Häusern noch vervielfacht wird. Denn so kann ich mich ablenken, konzentriere mich darauf, Motive zu finden und festzuhalten und übe mich in Akzeptanz und Toleranz. Und Gründe, den Auslöser meiner Kamera zu drücken, gibt es massenhaft: Die Reihe der pastellfarbenen Häuser, die richtig leuchten. Die beinahe meterlangen Eiszapfen, die von den Dächern hängen. Die Eisberge, die direkt hinter den Häusern aufragen. Die Wäsche, die jemand wirklich optimistisches zum Trocknen rausgehangen hat.

Mein Herzschlag beruhigt sich, die Übelkeit geht. Das gehört eben auch dazu. Wenn es überall wäre wie zu Hause, dann bräuchte man ja nicht reisen. Und bei all dem Glück, dass ich hier erleben kann, löst sich dieser bittere Tropfen auf, ohne diese Reise zu vergiften.

Denn Grönland ist schön.

Grönland ist ganz anders und auf diese Andersartigkeit muss man sich einlassen.

Aber dann reißt sie einen von den Füßen und trägt einen hinaus in eine Bucht voller schimmernder Eisberge.

Disclaimer: Ich habe die Reise an Bord der Sea Spirit bei einem Wettbewerb von Poseidon Expeditions gewonnen. Ich selbst musste also nichts für die Reise bezahlen, werde für meine Artikel aber auch nicht vom Reiseveranstalter bezahlt. Ich gebe hier meine eigenen Erfahrungen wieder.

Copyright: Einige der hier gezeigten Bilder (die ohne mein Logo) habe nicht ich gemacht, sie stammen vom fantastischen Bordfotografen Page Chichester.

4 Comments

  • Brigitte Wallraf

    Danke, dass du mir die Schönheiten der Discobucht noch einmal vor Augen geführt hast. Wie oft kehre ich in Gedanken dahin zurück.

    • Rosa

      Es war ganz anders, als bei unserem gemeinsamen Besuch und trotzdem konnte ich so viel wiederentdecken. So eine fantastische Region!

    • Rosa

      Danke! Es ist mir echt nicht leicht gefallen, aber es gibt Situationen, in die man sich einmischen soll und muss, und es gibt welche, da darf man das nicht, auch, wenn es einem sehr schwer fällt. Ich denke oft an die Situation zurück und frage mich, ob ich es hätte besser machen können, aber ich glaube, ich hätte eher Schaden als Nutzen anrichten können.

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