Wenn das letzte Puzzleteil fällt
Mein Weg in die Arktis
Wie fange ich an, diese unglaubliche Geschichte zu erzählen? Diese Geschichte, von der ich selber manchmal nicht glauben kann, dass sie mein Leben ist.
Am besten am Anfang.
Es war einmal eine kleine Anuschka, die Abenteuergeschichten aus dem wilden Norden liebte…Okay, vielleicht nicht ganz so früh. Spulen wir mal vor, bis ich 18 bin.
Als ich 2008 mit der Schule fertig war wusste ich, dass ich unbedingt studieren will. Lesen und lernen, das lag mir schon immer und auch Präsentationen halten und Hausarbeiten schreiben hat mir immer Spaß gemacht.
An die Uni
Ich wusste aber nicht, was ich werden will. Ich hatte nur eine …Idee. Oder eher Vision. Die bewegte sich irgendwo zwischen Lara Croft, Indiana Jones und Naturdoku-Moderatorin. Also entschied ich mich für ein Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie.
2011 kam der Bachelor, meine Abschlussarbeit trug den Titel Die Ideale der höfisch-ritterlichen Kultur des 12. Jahrhunderts und ihre Umsetzung am Hof Heinrichs des Löwen. Geht easy-peasy von der Zunge, wa? Mit 21 begann ich also mein Masterstudium und wusste, wenn ich so weitermache, bin ich mit 23 fertig. Und dann? Ursprünglich war der Plan, erst einen Doktor zu machen und dann eine Habilitation zu schreiben, um irgendwann als Professorin an der Uni zu lehren.
Ich war schon immer ein sehr ehrgeiziger und pflichtbewusster Mensch, der Bestleistungen erzielen wollte. Daher hatte ich noch nie den Fuß vom Gas genommen. So langsam dämmerte mir aber, dass akademische Leistung nicht alles war, was ich mir vom Leben wünschte. Dass ich es zwar liebte, in alten Geschichten zu graben, aber dass ich mir auch wünschte, ein eigenes, echtes Leben zu führen und nicht nur auf den Spuren anderer zu erleben.
Nach Finnland
Da traf es sich irgendwie gut, dass 2013 das Jahr war, indem mein Leben eine ganz andere Abzweigung nehmen sollte. Meine Tante und mein Onkel nahmen meine Schwester und mich mit nach Nordfinnland. Nach nur einer Woche dort oben hatte sich in mir alles verändert.
Und ich verließ den Pfad. Erst gar nicht bewusst. Mir war nur klar: Ich hatte mich unwiederbringlich verliebt, mein Herz verloren an die Arktis. Und ich wusste, dass ich unbedingt dorthin zurück musste.
So ging ich 2013 für einen Winter nach Finnland, um dort Schlittenhunde zu trainieren.
Im Anschluss verwarf ich das ursprünglich mitterlalterliche Thema meiner Masterarbeit und klopfte an einem ganz anderen Lehrstuhl an, nämlich dem für neuzeitliche Geschichte. Als der Professor meinen Titel für die Masterarbeit hörte, sagte er: “Frau Dinter, das klingt nach einem spannenden Thema, das ich gern betreue, aber ich muss Sie warnen. Ich werde Ihnen nicht helfen können, denn ich habe keine Ahnung von diesem Forschungsgebiet.”
Kein Problem für mich. Nach 6 Monaten Recherche, lesen, notieren, schreiben, korrigieren und formatieren konnte ich das etwa 145 Seiten starke Werk abgeben: Scott und Amundsen: Helden der Antarktis – Darstellung und Selbstinszenierung in Egodokumenten der Expeditionsteilnehmer. Selten hat mir etwas so viel Spaß gemacht. Und obwohl mein Professor mir eine Doktorandenstelle anbot, entschied ich mich die Uni zu verlassen.
7 Jahre hatte ich dort nun zugebracht, lange Zeit als wissenschaftliche Hilfskraft gearbeitet und den Elfenbeinturm zur Genüge von innen kennengelernt. Es wurde Zeit, sich neuen Herausforderungen zu stellen.
Ins Berufsleben
Jetzt hieß es, den Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Ich arbeitete zunächst mit Leidenschaft und Herzblut als Bildungsberaterin und Eventmanagerin, einen Job in dem ich Messen organisierte, auf denen ich jungen Leuten dabei half, ihren Weg ins Ausland zu finden, ob per Schüleraustausch, Sprachreise, Work & Travel, als Au-Pair oder mit einem Freiwilligendienst.
Nebenbei gründete ich diesen Blog. Erst nur als Hobby und Zeitvertreib gedacht, entwickelte er sich schnell zu einer meiner größten Leidenschaften, denn hier kann ich alles vereinen: Schreiben, Fotografieren, Geschichten erzählen, Menschen erreichen.
2019 dann die E-Mail von Globetrotter mit der Frage, ob ich Lust hätte, mit meinen Arktis-Themen bei ihnen Reisevorträge zu halten. Ich hatte zuvor schon öfter an Travelslams teilgenommen und wusste sofort, dass ich das unbedingt machen möchte. Und so konzipierte ich Vorträge und begann meine Karriere als Reisereferentin. Also, als jemand, der Reisevorträge hält.
2020 machte mich die Pandemie arbeits- und ehrlicherweise auch ein bisschen heimatlos. Es folgten zwei Jahre meines Lebens, die wirklich nicht einfach waren. Das alles könnt ihr in meinen Jahresrückblicken 2020 und 2021 nachlesen, wenn ihr möchtet.
In die Selbstständigkeit
Es folgten Umzüge, ein neuer Job, mehrmonatige Weiterbildungen und Neuorientierungen und endlich, endlich, Ende 2022 der Schritt in die Selbstständigkeit. Als Texterin, Social Media-Managerin und vor allen Dingen: Reisereferentin.
Das war wie gesagt im November 2022. 2023 begann ich damit, mir einen Kundenkreis aufzubauen, mich um alles Organisatorische zu kümmern, zu planen und Ideen umzusetzen. Dazu gehörte natürlich auch Networking. Im Herbst 2023 ging es auf ein Schiff, um mich mit anderen Menschen aus der Branche der Reisejournalisten zu vernetzen.
Once upon a time, the planets and the fates
And all the stars aligned– Mastermind / Taylor Swift
Und hier, auf der Vasco da Gama lernte ich Sandra kennen. Sandra ist das, was man ein “girl’s girl” nennt. Eine Frau, die andere Frauen unterstützt, anfeuert und ihnen Mut macht, ihre Träume zu verwirklichen. Sandra hat keine Sekunde gezögert und mich der Pressesprecherin von Hapag Lloyd Cruises vorgestellt.
Kaum vom Schiff saß ich an meiner Bewerbung für ein Engagement als wissenschaftliche Expertin für Geschichte, die Arktis-Expeditionen begleitet.
Einige Monate später hatte ich ein Vorstellungsgespräch im Doppel X, dem Sitz von TUI cruises in Hamburg. Hier durfte ich einen Probevortrag halten. Noch im Gespräch erhielt ich die Zusage. Und man stellte mir die Frage, ob ich im Juli 2024 schon etwas vorhätte.
I laid the groundwork and then just like clockwork
The dominoes cascaded in a line– Mastermind / Taylor Swift
Und damit fielen alle Puzzleteile der letzten 10 Jahre an ihren Platz.
Das Geschichtsstudium. Der Blog. Die Vorträge. Die Reisen in die Arktis.
Alles, wofür ich brenne.
Unterwegs
Und es beginnt ein Haufen Arbeit. Denn vier historische Vorträge in deutsch und englisch erstellen sich nicht von selbst! Es muss recherchiert werden, Quellenmaterial besorgt, kopiert, gesichtet und gelesen werden. Dazu benötige ich Ausweise für verschiedene Bibliotheken, muss mich durch Antiquariate wühlen und mich von Link zu Link hangeln. Ich brauche Bilder, Texte, Musik, Videos, Einspieler. Ich möchte die Menschen mitreißen, faszinieren, rühren, zum Lachen, vielleicht sogar zum Weinen bringen.
Also stürze ich mich Hals über Kopf in diese Aufgabe. Wochenlang. Und das mit gebrochenem Herzen. Denn im Februar gehe ich durch meine ganz persönliche Hölle, als mein geliebter Kater Johnny schwer erkrankt und schließlich stirbt.
Cause I’m a real tough kid, I can handle my shit
They said, “Babe, you gotta fake it ’til you make it” and I did
Lights, camera, bitch smile, even when you wanna die
He said he’d love me all his life
But that life was too short
Breaking down, I hit the floor
All the pieces of me shattered as the crowd was chanting, “More”
I was grinning like I’m winning, I was hitting my marks
‘Cause I can do it with a broken heart– I Can Do It With a Broken Heart / Taylor Swift
Ich mache weiter, auch wenn ich manchmal nicht mehr kann. Ich fahre quer durch Deutschland, halte meine Vorträge, stelle mich einer Jury, um in einen Fachverband für Reise-Vortragende aufgenommen zu werden, besuche die ITB, knüpfe Kontakte. Monatelang bin ich unterwegs, suche mir Material und konzipiere die Vorträge schließlich in einer Kasernenstube in Hamburg, in der ich für einige Wochen wohne.
Aufs Schiff
Und dann ist es soweit. Der Morgen des 5. Julis zieht herauf und mit den ersten Sonnenstrahlen verabschiede ich mich am Flughafen Hannover von meinem Mann, um mich dem vielleicht größten Abenteuer meines Lebens zu stellen.
Kommt ihr mit?
6 Comments
Sandra
Girl’s Girl. Das bin ich gern und mit großem Stolz! Aber mit Karen hätte dich Franz schon auch noch zusammengesetzt wenn ich nicht (etwas schneller) gewesen wäre.
In jedem Fall: gerne und jederzeit wieder! Und mit dir komm ich (fast) überall hin. Sogar bald nach Aschaffenburg! 😉 Freu mich drauf! 🥰
Rosa
Und ich freu mich, dich bald in deinem kleinen Cottage in England oder Irland am Meer zu besuchen. Dann lassen wir uns den Wind um die Nase wehen, trinken Tee und sind einfach glücklich, okay 🙂 Bis es soweit ist, begnügen wir uns mit Aschaffenburg!
Brigitte Wallraf
In dieser Geschichte bin ich gerne ein kleines Puzzleteil. Und so wie in der Vergangenheit werde ich auch in Zukunft mit Spannung und Anteilnahme deinen Weg verfolgen, der den ein oder anderen Umweg genommen hat, um aber immer wieder ins Zentrum vorzustoßen. Manchmal bin ich in Gedanken dabei, manchmal haben wir dieses Glück gemeinsam erfahren. So soll es weitergehen.
Rosa
Sagen wir es mal so; Du bist nicht das Puzzleteil, du bist der Schneeball, der die Lawine ins Rollen gebracht hat! 😀 Danke, von ganzem Herzen. Ohne dich, ohne euch, hätte ich nie erfahren, wie glücklich mich die Arktis macht. <3
Maren
Einfach nur inspirierend <3
ich gönne dir und euch von Herzen alles erdenklich Gute auf dieser Welt und es freut mich innerlich im tiefsten Herzen so sehr zu sehen, wie dein Mut, deine Motivation, deine Leidenschaft und deine Arbeit durch das Leben honoriert werden!
Ich lese fleißig mit und freue mich auf neue Geschichten 🙂
Maren
Rosa
Danke liebe Maren! <3 Das ist sehr lieb von dir und ich freu mich, dass du hier mitliest.