Roadtrip Kanada

Roadtrip Kanada & Alaska: Über Carmacks nach Dawson City

Trostloses Carmacks

Nach unseren ersten aufregenden Tagen in Whitehorse mit Kanutour auf dem Yukon, Besuch einer Huskyfarm und einer sonnigen Wanderung am Fish Lake, machen wir uns jetzt auf den Weg in den Norden. Etappenziel ist das legendäre Dawson City. Um nicht ewig im Auto zu sitzen, haben wir aber einen Zwischenstopp in Carmacks eingeplant. Die Route bietet einige hübsche Fotostopps, so dass es sich lohnt, sich nicht zu hetzen.

Der Reiseführer lässt es schon vermuten und meine eigene Erfahrung bestätigt es, als wir nach Carmacks rollen: Das schönste an Carmacks ist das Ortsschild. Gut, ich gebe zu, der strömende Regen ist keine Hilfe. Aber auch in strahlendem Sonnenschein würde der Ort keinen Attraktivitätswettbewerb gewinnen. Es gibt eine Tankstelle, ein Motel, ein Restaurant und einen Imbisswagen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mit dem Nebel auch kalte Depression von den Bergen herunterwallt.

Eine Sehenswürdigkeit gibt es aber doch: Einen Boardwalk mit historischen Informationen! Dieser führt zum Visitor Center. Zum geschlossenen und verrammelten Visitor Center, wohlgemerkt. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass wir hier im September durchkommen, wo viele öffentliche Einrichtungen für den Winter schon schließen.

Der Mann und der Wolfshund

Das spannendste an Carmacks ist daher die Fahrt dahin. Denn unterwegs passiert etwas eigenartiges. Wir fahren über eine einsame Straße auf eine Hügelkuppe zu, als uns ein Fahrzeug entgegenkommt. Es signalisiert uns mit der Lichthupe. Aber was? Wohl kaum einen Blitzer, die gibt es hier so gut wie gar nicht. Dann vielleicht eine Gefahr? Ein Tier auf der Fahrbahn? Als wir die Anhöhe passieren, sehen wir es. Einige Autos stehen kreuz und quer, alle fahren nur sehr langsam. Und dann fällt mein Blick auf das schwarze Tier, mitten auf der Fahrbahn stehend. Im ersten Augenblick denke ich, es wäre ein Wolf. Dann erkenne ich, dass es ein großer, zotteliger Hund ist.

Wie ein Geistesblitz schießt mir durch den Kopf, dass ich ihn schon einmal gesehen habe. Denn vor zwei Tagen habe ich in Whitehorse beobachtet, wie er zusammen mit einem abgerissenen jungen Mann mit Rucksack den Highway entlanglief. Und als ich mich suchend umblicke, sehe ich am Straßenrand zwischen einigen Bäumen stehend und die Autos beobachtend den Besitzer. Die Szene jagt mir einen Schauer über den Rücken. Kein Auto hupt, alle versuchten nur vorsichtig dem Hund auszuweichen. Es ist ganz still. Der Mann macht keine Anstalten, den Hund von der Straße zu holen, sondern blickt nur stumm durch die Fensterscheiben ins Innere der Autos. Wenn er ein Tramper ist, so ist das sicherlich keine gute Möglichkeit, eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Vielleicht habe ich aber auch einfach zu viele Crime-Serien gesehen.

Meine erste Bärenbegegnung, die keine ist

Ich vergesse den Vorfall schnell, denn bald wird er von einem anderen überlagert. Auf dem Weg nach Dawson sitze zum ersten mal ich am Steuer unseres riiiiesigen Chevrolets. Um meine Tante und meinen Onkel, die seit Ewigkeiten nicht mit mir Auto gefahren sind, zu überzeugen, dass man mir diesbezüglich wirklich trauen kann, konzentriere ich mich voll und ganz auf die Straße vor mir. Und sehe daher den Bären am Straßenrand nicht. Erst das alamierte „BÄR!“ meiner Tante macht mich auf unseren plüschigen Freund aufmerksam.

Doch bis ich langsam zu der Stelle zurückgerollt bin, an der er im Gras hockt, hat er sich in den Wald getrollt. Blöder Bär. Immerhin konnte meine Tante ihn fotografieren. Sollte das die einzige Bärenbegegenung bleiben, behaupte ich zu Hause einfach, ich hätte ihn auch gesehen und zeige das Foto, grummele ich in Gedanken.

Dawson City – Wilder Westen und Rausch des Goldes

Nach 350 Kilometern auf dem Klondike Highway nähern wir uns Dawson City. Hier künden nun die Wunden der Landschaft von der Gewalt, die ihr während des Goldrauschs angetan wurde. Der Boden ist aufgerissen, rechts und links türmen sich Geröllwälle. Überall stehen Maschinen, zum Teil alt und verrostet, zum Teil noch neu. Und dann kommt Dawson in Sicht, an einer Biegung des Yukon gelegen, Ziel unzähliger Goldsucher und Abenteurer. Und es sieht aus, wie die Westernstadt eines Vergnügungsparks.

Die Straßen sind nicht asphaltiert und stauben vor sich hin, statt Bürgersteige gibt es Gehwege aus Holz. Trotzdem wirkt die Stadt bunt und fröhlich. Nach der ersten Goldrausch-Welle wäre sie fast untergegangen, doch die industrielle Goldförderung und dann das Interesse der Touristen haben sie gerettet. Und so präsentieren sich die Fassaden frisch und farbenfroh und man gibt sich alle Mühe, Neuankömmlinge willkommen zu heißen.

Meine Trail-Ghosts

Während ich so durch die Straßen schlendere, sehe ich auf einem der Holzbürgersteige hinter einer Bank vier große, schwarze Pfoten. Tielieb wie ich bin, kann ich natürlich nicht widerstehen, knie mich hin und blicke in die goldfarbenen Augen des schwarzen Wolfshundes. Mein Trail-Ghost, schießt mir durch den Kopf. Du bist der Geist, der mich auf meiner Reise begleitet, den ich immer wieder treffe. Der Hund kommt hinter der Bank hervor und streckt sich. Und da sehe ich auch den schmutzigen Rucksack seines Besitzers auf den Brettern liegen.

Zuerst erscheint es mir wie ein großer Zufall, dass ich die beiden erst in Whitehorse, dann bei Carmacks und schließlich hier in Dawson treffe. Im nächsten Moment komme ich mir blöd vor, denn mir wird klar, dass, obwohl die Orte viele hundert Kilometer auseinander liegen, es hier sonst in diesem großen, leeren Land, kaum andere Siedlungen gibt. Geschweige denn Abzweigungen, die irgendwo hinführen. Trotzdem mag ich den Gedanken, dass diese zwei immer wieder überraschend auftauchen.

Tipps für Dawson City

Midnight Dome

Kurz vor Dawson führt eine Straße den Berg hinauf, zum sogenannten Midnight Dome. Von diesem Berg hat man einen grandiosen Ausblick über die Stadt und den Fluss, sogar bis zum Top of the World Highway, der am anderen Ufer beginnt. Der Dome ist etwa 900 Meter hoch, Parkplätze sind vorhanden.

Sourtoe Club

Ein bisschen Spaß muss sein: Im Downtown Hotel findet jeden Abend um 21 Uhr ein minimal ekliges Spektakel statt. Wer möchte, kann Mitglied des Sourtoe Clubs werden. Dazu muss man einen schwarzen, mumifizierten Zeh küssen und anschließend ein Glas Schnaps leeren. Mit dem Zeh darin. Bis er die Lippen berührt. Man bekommt auch ein Zertifikat! Wer in den Zeh beißt oder diesen verschluckt muss übrigens eine horrende Strafe von mehreren tausen Dollar bezahlen. Wem der Zeh gehörte? Ich habe keine Ahnung…aber ein neues Zertifikat! 😉

Und übrigens: Das Downtown Hotel ist immer auf der Such nach Spendern, denn so ein Zeh nutzt sich mit der Zeit wohl ab!

Robert Service und Jack London Cabin

Wer sich in diesem Teil Kanadas aufhält, der kommt an zwei Personen nicht vorbei: Robert Service und Jack London. Ersterer schrieb Gedichte, zweiterer Geschichten über den rauen Norden, den Goldrausch und alles, was dazu gehörte. Und beide haben sich kurze Zeit in Dawson City aufgehalten. Zeugnis davon bieten die zwei Holzhütten im oberen Teil von Dawson.

Visitor Center und Cultural Center

Erste Anlaufstelle in Kanada sollte immer das Visitor Center des jeweiligen Ortes sein! Denn hier gibt es meist nicht nur WLAN, sondern auch Kartenmaterial, Tipps und Infos. So ist es auch in Dawson. Zudem laufen die armen Angestsellten hier auch noch in historischen Kostümen rum.

Gegenüber vom Besucherzentrum liegt das Cultural Center. Auch hier lohnt sich ein Besuch, um mehr über den Ort, seine Bevölkerung und seine Geschichte zu lernen. Zum Beispiel, dass das Wort Klondike eine Abwandlung vom indianischen Trʼondëk ist.

Dredge No. 4

Wer sich für den Goldrausch interessiert, kommt an dieser Sehenswürdigkeit nicht vorbei! Der Schaufelbagger diente der Goldförderung und zeigt, welche Ausmaße die Gier nach dem Metall annahm. Denn nachdem die Stampede und die manuelle Suche nach dem wertvollen Metall vorbei war, traten die Maschinen auf den Plan, um auch das letzte bisschen Staub aus den Flüssen zu holen. Die Dredge konnte in einer Minute 22 Eimer Flusskies schöpfen. Sie war 46 Jahre in Betrieb, von 1913 bis 1959 und hat während dieser Zeit insgesamt neun Tonnen Gold gefördert. So viel zu den Zahlen, was aber noch viel beeindruckender ist, ist der echte Anblick dieses Monsters. Wenn man davor steht, kommt man sich winzig vor und fragt sich, wie Menschen eine solche Maschine mitten im Nirgendwo betreiben konnten.

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