Ueberfahrt-Groenland_Island_Sea Spirit_Wellengang

Expeditionskreuzfahrt Grönland: Seekrank und was dagegen hilft

Es hat alles so gut angefangen: Wir sind an Bord der MV Sea Spirit gegangen, um von Reykjavik in Island nach Grönland überzusetzen und dann die Westküste der größten Insel der Welt zu erkunden. Unsere Kabine ist wunderschön, das Essen lecker, die Menschen nett. Wäre da nicht ein klitzekleines Problem. Erinnert ihr euch an meine Ostsee-Überquerung? Und was ich da die ganze Zeit gemacht habe? Richtig! Ich habe seekrank unfreiwillig die Fische gefüttert.

Leinen los: Die Sea Spirit sticht in See

Kaum sind wir an Bord, da gibt es auch schon die Notfalleinweisung, inklusive Versammeln und Anlegen der Rettungswesten. Noch während des folgenden Lunchs legt das Schiff ab. Aufgrund der nicht ganz einfachen Wetterverhältnisse war die Sea Spirit einen Tag später als erwartet in Reykjavik eingetroffen und natürlich möchte der Kapitän keine weiteren Verzögerungen. Sehr verständlich.

Wusstet ihr, dass das Schiff 2019 mit Stabilisatoren von Rolls Royce ausgestattet wurde? Diese Information war mein Rettungsring, mein Fetzen Hoffnung, an den ich mich seit knapp einem Jahr klammere, was die Überfahrt betrifft. Rolls Royce! Ich meine, diese Stabilisatoren müssen doch was können, oder? Der Fetzen flattert allerdings schnell in der rauen Meeresbrise davon, als Expeditionsleiter Aaron uns erklärt, dass wir mit Wellen zwischen drei und vier Metern Höhe auf der Überfahrt zu rechnen haben.

Klingt gar nicht so hoch, oder? Aber wer stand denn im Schwimmbad schon mal auf dem 3-Meter-Brett, hat runtergeguckt und festgestellt, sooo niedrig ist es doch nicht? Na, seht ihr! Ein Standardzimmer in Deutschland hat eine Deckenhöhe von 2,30m bis 2,50m. Jetzt stellt euch mal vor, euer Zimmer würde sich um diese Höhe auf und ab bewegen.

Die Sea Spirit verlässt den Hafen und mir wird relativ schnell klar, dass ich weder im Speisesaal, noch in der Lounge bleiben kann. Hier sind die Fenster für die Überfahrt noch abgedeckt und das Auge findet keinen Horizont. Mein Kopf wird schwummrig, mein Magen protestiert: Ich bin seekrank.

Seekrank an Bord

Auf unsicheren Puddingbeinen schleiche ich in unsere Kabine. Wie schon mal geschrieben, befindet sich diese glücklicherweise mittig im Schiff, hier merkt man das Stampfen nicht ganz so schlimm. Und wenn man sich dann noch quer auf das Bett legt, den Kopf auf einen Kissenhaufen und den Blick aus dem Fenster geht es sogar fast. Fast.

Die nächsten zwei Tage werde ich übrigens nichts anders machen. Ich schlafe sogar in dieser Haltung. Das geht Dank der Reisetabletten sogar gut und viel, denn die machen sehr müde und ich nehme alle 8 Stunden eine ein, die mich ausknockt. Hier ein ganz großes Dankeschön an den Bordarzt, der Dramamine kostenlos an die Passagiere verteilt. Dank ihm habe ich mich tatsächlich kein einziges Mal übergeben. Ich bin sicher, ohne das Dramamine (und vermutlich auch ohne die Rolls Royce Stabilisatoren) wäre alles viel schlimmer gewesen.

Trotzdem bin ich ein bisschen niedergeschlagen. Ich hatte mir vorgestellt, wie wir die Überfahrt nutzen, um alle kennenzulernen, das Schiff zu erkunden, die ersten Bilder zu machen, Ausschau nach Walen halten und im Salon Tee trinken. Nicht, reglos wie ein toter Fisch seekrank auf dem Bett zu liegen.

Pustekuchen. Wann immer ich versuche aufzustehen macht mir der Nordatlantik klar, dass das keine gute Idee ist.

Einer muss ja gehen

Mein Freund ist tapfer, er wagt sich immer wieder aus der Kabine, besorgt uns die Gummistiefel und die roten Expeditionsparkas, sowie geschnittene Äpfel und Cracker, das Einzige, was ich runterbekomme. Was sehr schade ist, denn wenn ihr den vorigen Artikel gelesen habt wisst ihr, wie gut das Essen an Bord der Sea Spirit ist! Mein Freund schafft es sogar zu einigen Mahlzeiten und einem Vortrag, obwohl auch er seekrank ist. Er kann aber berichten, dass von den 94 Passagieren die meisten verschwunden scheinen.

Was mache ich in den zwei Tagen, wenn ich mal wach bin? Ich schaue den Vorhängen beim Schwanken zu. An denen kann man die Bewegung des Schiffes nämlich sehr genau ablesen. Ich sage mir selbst, dass es ja vorbeigeht und ich aus Erfahrung weiß, dass es mir sofort wieder gut geht, sobald sich der Seegang beruhigt. Ich male mir all die tollen Dinge und Erlebnisse aus, die auf uns warten. Hier habe ich mehr Glück, als mein Freund: Ihm wird zwar nicht ganz so übel, dafür schwankt es für ihn immer noch viele Tage lang, auch auf festem Boden.

Außerdem bin ich froh, dass ich nichts wahnsinnig Spannendes verpasse. Denn das Meer, und das ist das Einzige, was es zu sehen gibt, kann ich auch von unserer Kabine aus beobachten.

Zwei Mal verlasse ich die Kabine, um dem obligatorischen Vortrag zum Verhalten in der Arktis und der Einweisung des Kayak-Clubs, dem mein Freund und ich für die Dauer der Reise angehören, beizuwohnen. Jeweils ein recht kurzes Vergnügen, von dem ich mich leider schnell wieder verabschieden muss.

Es geht aufwärts

Unser armer Kabinensteward bietet immer wieder an unser Bett zu machen, da ich daran aber wie festgetackert bin, hat er keine Chance auch nur unsere Kabine aufzuräumen. Er kümmert sich trotzdem rührend und als ich zum ersten Mal etwas Hunger verspüre und zwar auf Oliven, da dauert es keine 5 Minuten, bis er mit einem Schälchen klopft.

Im Nachgang wird uns klar, dass wir uns hier auf einem richtigen Luxusschiff befinden und natürlich auch die Rezeption hätten anrufen können, um uns Essen bringen zu lassen. Bettina, die stellvertretende Expeditionsleiterin erzählt mir sogar, dass sie extra immer ein Auge darauf hat, dass seekranke Passagiere ihre Äpfel geschnitten bekommen. Schließlich bekäme man die so viel einfacher runter!

Irgendwann wird es besser. Ich ziehe meinen neuen Parka an, den ich sogar behalten darf, torkele auf den Gang und aus der Tür an Deck. Frische Luft! Wenn man in der Mitte des Schiffs bleibt, den Rücken fest an die Wand gepresst und den Blick in die Ferne gerichtet, kann man es sogar ein paar Minuten aushalten.

Am zweiten vollen Tag auf See schaffe ich es sowohl zum Mittag-, als auch zum Abendessen. Und lerne endlich ein paar Mitreisende kennen. Ich bin richtig stolz! Aber auch immer noch ziemlich mitgenommen. Das Wissen, dass ich nur noch eine Nacht vor mir habe, hilft aber.

Und eines morgens ist es vorbei. Wir haben es geschafft! Kap Farvel liegt vor uns, die Südspitze Grönlands. Am Abend erfahren wir, dass die Wellen während der Überfahrt tatsächlich 7 Meter hoch waren.

Und Page Chichester, der Fotograf, zeigt uns ein Video, dass er während der Überfahrt gemacht hat.

Ahoi!

Meine Tipps gegen Seekrankheit

Ich beglückwünsche alle, die waschechte Seebären sind und denen kein Wellengang etwas anhaben kann! Ganz ehrlich, schön für euch! Für den leidenden Teil der seefahrenden Bevölkerung, der seekrank wird, hier aber noch mal alle Tipps zusammengetragen:

Reisetabletten: Frühzeitig Dramamine einnehmen

Ich muss gestehen, wir hatten auch Kaugummis dabei, aber mit denen konnte ich gar nichts anfangen. Schmecken eine Minute sehr scharf und dann nach nichts. Wie lange soll man die eigentlich kauen? Lieber habe ich die Reisetabletten genommen. Dabei ganz wichtig: Einnehmen, bevor es zu spät ist! In unserem Fall habe ich die erste genommen, kaum dass wir an Bord waren und das war auch gut so. Und dann alle 8 Stunden eine. Der Wirkstoff Dramamine (Dosierung 50g) hat es mir hierbei wirklich angetan, die Tabletten haben sehr gut gewirkt.

Ruhe und Entspannung: Ablenkung durch Hörbücher

Ja ja, klingt einfacher, als es ist! Aber erstens machen die Reisetabletten eh müde und zweitens ist einem nicht schlecht, wenn man schläft. Wer kann also: Ab ins Bett! Zudem nützt es gar nichts, sich selber zu stressen und immer wieder aufzustehen, um die eigenen Grenzen zu testen. Führt nur zu noch mehr Übelkeit, meiner Erfahrung nach. Wem es zu langweilig wird, dem empfehle ich Hörbücher oder Hörspiele. Fernsehen oder Lesen kam für mich nicht in Frage, aber Augen zu und Ohren auf geht!

Quer zur Schiffsbewegung liegen

Wenn ihr Glück habt, dann steht euer Bett quer zur Bewegungsrichtung des Schiffes. Stampft es auf und ab, sollte das Bett im rechten Winkel zur Schiffslänge stehen, rollt es von rechts nach links, dann ist auf der Schiffsachse ausgerichtet besser.

Die Sea Spirit hat öfter gestampft als gerollt, wofür unsere Bettausrichtung nicht optimal war. Aber man kann sich ja auch quer drauflegen. Dann noch einen Hocker oder irgendwas unter die Füße und wenn es möglich ist: Nach draußen schauen!

Vielleicht bin ich diesbezüglich komisch, denn es heißt ja immer, wer seekrank ist, solle den Horizont beobachten. Am Horizont konnte ich aber ja sehen, wie sehr das Schiff sich auf und ab bewegte, weil der ständig unter der Reling verschwand. Ich habe daher lieber in den Himmel geguckt. Der hat sich wenigstens nicht bewegt.

Essen: Grüne Äpfel gegen Seekrankheit

Ich weiß, wer seekrank ist denkt, er bekommt so gar nichts runter. Es stimmt aber, auf leeren Magen schlägt die Übelkeit noch schlimmer zu, als auf vollen. Grüne Äpfel gelten auch unter erfahrenen Seeleuten und Tauchern als gutes Heilmittel gegen Seekrankheit und zusammen mit ein paar Crackern handelt es sich doch schon fast um eine Mahlzeit! Essen lenkt außerdem ab und unterbricht die öde Langeweile ein bisschen.

Luft statt Bewegung

In vielen Tipps heißt es immer, man solle sich bewegen und gegen die Seekrankheit ankämpfen. Was soll ich sagen, vielleicht bin ich einfach eine Lusche oder nicht so die geborene Kämpferin, aber das hat es bei mir nur schlimmer gemacht. Frische Luft hingegen tat wirklich gut. Wer also reich ist und es sich leisten kann: Nehmt eine Kabine, in der man das Fenster aufmachen kann! Dann muss man sich für die frische Luft nämlich nicht bewegen.

Disclaimer: Ich habe die Reise an Bord der Sea Spirit bei einem von Poseidon Expeditions veranstalteten Wettbewerb gewonnen. Ich selbst musste also nichts für die Reise bezahlen, werde für meine Artikel aber auch nicht vom Reiseveranstalter bezahlt. Ich gebe hier meine eigene Meinung wieder.

Copyright: Einige der hier gezeigten Bilder und Videos wurden vom Bordfotograf Page Chichester aufgenommen.

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