Mit Schlittenhunden durch die Dunkelheit Svalbards
Der Tag, an dem ich durch die Polarnacht gleite
In den frühen Morgenstunden klingelt mein Handywecker, eine technische Absurdität in dieser rustikalen Umgebung. Mein zweiter Tag auf Svalbard beginnt. Und ich kann mich vor Aufregung kaum beherrschen, denn heute ist der Tag, an dem ich endlich wieder auf einem Hundeschlitten stehen werde!
Da ich nach meiner Nacht in der Trapperhütte mit nur dem Nötigsten ausnahmsweise mal keine Wahl habe, was mein Outfit betrifft, bin ich schnell angezogen. Auch die Katzenwäsche im Toilettenhäuschen ist fix erledigt. Über die Vintage-Ausstattung mit Waschschüssel in Belle-Epoque-Optik muss ich lachen. Sie steht doch in krassem Kontrast zur mobilen Plastiktoilette direkt daneben.
Bei einem gemütlichen Frühstück in der Trapperhütte erklärt mir Morten, mein norwegischer Guide, welche Hunde in meinem Schlittenteam sein werden. Es schmeichelt mir schon ein bisschen, dass er mir auf Grund meiner bereits vorhandenen Erfahrung den zweiten Guide-Schlitten und ein schwierigeres Team anvertrauen will. Ich werde mit einem der Gäste fahren, die um neun eintreffen, unser Team soll aus sechs Hunden bestehen.
Die anderen Gäste kommen und ich habe das gleiche Vergnügen wie auf der Ranch in den USA. Kleider machen eben Leute und da ich neben Morten die einzige bin, die nicht in einen Overall des Veranstalters gewurstet worden ist, nehmen die anderen Gäste ganz selbstverständlich an, ich sei ebenfalls Guide. Meine Mitfahrerin, eine Australierin mittleren Alters, stellt mir viele Fragen zu den Hunden und den Schlitten, die ich brav und innerlich grinsend beantworte. Als sie dann sagt, wie nett es sei, mit einem der Guides zu fahren, fühle ich mich aber doch verpflichtet, ihr reinen Wein einzuschenken.
Wir beginnen, unsere Teams anzuschirren und ich bin glücklich, dass man hier bei dieser Aufgabe mithilft. Endlich wieder wilde Hunde in Harnesse stopfen, endlich wieder über gefrorenen Boden geschleift werden, endlich wieder dieses Reißen im Arm, wenn man versucht, den Husky einzuhaken! Und das meine ich übrigens nicht ironisch! Die Handgriffe sitzen noch aus meiner Zeit als Trainerin in Finnland. Und ich habe sie vermisst.
Unser Schlitten soll die Nachhut bilden, und bis wir den Dogyard verlassen können, hat es einer der Huskies geschafft, sein Geschirr durchzubeißen. Nun gut, ein bisschen Schwund ist immer, es bleibt keine Zeit, ihn zu ersetzen und er wird wieder zu seiner Hütte verfrachtet. Selber Schuld, Dodge! Denn mittlerweile kocht das Adrenalin nicht nur in den Adern der Hunde, sondern auch in meinen und ich brenne darauf, von der Bremse zu steigen. Als unsere beiden Anker gezogen sind geht es endlich los in die absolute Dunkelheit Svalbards.
Auf Spitzbergen steigt die Sonne im Dezember nie näher als bis auf 12 Grad unter die Horizontlinie, das heißt, dass nicht einmal Dämmerlicht aufkommt. Die Polarnacht ist hier allumfassend. Und durch dieses tiefe Schwarz rauschen wir mit unseren Schlitten. Aber nur ungefähr 10 Meter. Dann fangen die Probleme an. Das Pärchen, das hinter Mortens Schlitten fährt, ist mir schon bei der Vorstellungsrunde aufgefallen. Sie wirken verängstigt, schrecken vor den Hunden zurück (Warum? Warum zum Geier macht man eine Huskysafari, wenn man Angst vor Huskies hat?!) und stellen immer wieder die gleichen Fragen: Können wir nicht die ganze Zeit auf der Bremse stehen? Ist das Ganze nicht gefährlich? Beißen die Hunde? Ist das wirklich sicher?!
Das mit der Bremse erweist sich dann auch eher als Drohung, statt als Frage, denn genau das tun die beiden. Der erste Kilometer wird so zur Qual. Die Hunde wollen laufen, ich will sie laufen lassen, wir alle müssen aber im Schneckentempo hinter dem zweiten Schlitten herkriechen, weil die partout nicht von der Bremse gehen. Ihr armes Team wirft sich verzweifelt in die Geschirre, spannt die Muskeln, nur um den Schlitten kaum von der Stelle zu bewegen, während sich die Bremse in den Schnee gräbt. Auch nach mehreren Ermahnungen durch Morten lassen sie es nicht. Es kommt wie es kommen muss. Der Schlitten kippt natürlich um. Einmal. Zweimal. Dreimal. Ich kann mir ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Sieht ja keiner, ist ja dunkel.
Irgendwann schaffen sie es doch, die Hunde zumindest nicht mehr allzu sehr zu behindern und wir fallen in einen gemächlichen Trab. Ich verlagere das Gewicht, um den Schlitten um die Kurven zu kicken. Schneefall setzt ein und die Flocken tanzen geisterhaft im Licht unserer Stirnlampen. Es herrscht Stille, nur das Gleiten der Kufen über den Schnee, das Geklimper der Geschirre und der Atem der Hunde sind zu hören. Ich hole tief Luft und sauge den Norden in mich auf. Als Morten an der Spitze unseres Zuges abbiegt, erhasche ich einen Blick auf ihn, der sich tief in mein Gedächtnis einbrennt. Im Scheinwerferlicht seiner extrem hellen Stirnlampe kann man nur sein Gespann sehen, das sich durch den Schnee kämpft. Weißes Nichts und darin sieben Hunde und ein Mann, die sich gegen die Natur behaupten. Die Gänsehaut, die mich überläuft, hält den Rest der Fahrt an.
Viel zu schnell tausche ich mit meiner Australierin die Plätze und bald darauf sind wir wieder im Dogyard. Nach einer kleinen Teepause geht es zurück in die Stadt und ins Basecamp, meiner Unterkunft für die nächsten zwei Nächte. Unter der heißen Dusche werde ich den Hundegeruch los, der mich umgibt wie eine Wolke. Das bedaure ich nicht wirklich, wohl aber, dass ich die Huskysafari jetzt bereits hinter mir habe. Aber ich weiß, dass ich nächsten Sommer gute Chancen habe, wieder Schlittenhunde zu treffen. Wenn es nach Kanada und Alaska geht!
2 Comments
Elias Vetter
Toller Bericht. Ich kann richtig mit dir mitfühlen. Leider war ich bis jetzt nur als Zuschauer an einem Schlittenhundrennen dabei aber noch nie auf dem Schlitten. Nächstes Jahr wird sich das in Alaska hoffentlich ändern.
Rosa
Nächstes Jahr Alaska klingt toll! Und ich verspreche dir, du wirst es lieben! Es gibt einfach nichts vergleichbares, zumindest für mich! 🙂