2024 – Ein ganz persönlicher Jahresrückblick
Unerbittlich dreht sich das Rad der Zeit, egal, ob man glücklich ist und sich wünscht, dass der Moment nie vorbeigehen möge, oder ob man todunglücklich ist und einfach hofft, die nächsten Minuten zu überstehen. Der Frühling kommt, der Sommer strahlt, der Herbst wird zum Winter. Und wieder ist ein Jahr vorbei. Ein Jahr, dass mich zerbissen und ausgespuckt hat und an dem ich trotzdem nie ganz verzweifelt bin.
Es fing so gut an…
Wenn ich auf die letzten 12 Monate zurückblicke, dann weiß ich gar nicht so genau, was ich empfinde. Die ersten Tage im Januar waren so vielversprechend! Wir fuhren nach Dresden, um dort in der Semperoper die Zauberflöte zu sehen. Die Aufführung hatte ich meinem Mann zu Weihnachten geschenkt. Auch wenn ich wohl nicht der absolute Opernfan werde, hat mich die Atmosphäre, die beeindruckende Ausstattung und natürlich das ganze Flair der Stadt selbst nicht kalt gelassen.
Und es ging gut weiter: Mit meiner besten Freundin (und das seit 32 Jahren) erlebte ich im wahrsten Sinne des Ortes den Winterzauber im Phantasialand bei Brühl und traf auch noch einen sehr alten, goldenen Freund wieder. Und niemand darf mir die Illusion nehmen, dass der Drache mich kennt. Schließlich renne ich seit Jahren quietschend auf ihn zu und werfe mich in seine Arme!
Kurz darauf hatte ich einen Auftritt in Konstanz am Bodensee und wir haben die Chance genutzt und einen Roadtrip daraus gemacht. So konnten wir Freunde in Freiburg, Zürich und St. Gallen besuchen. Die Freunde aus der Schweiz haben wir tatsächlich auf unseren Reisen kennengelernt, einmal 2019 in Äkäskero und 2023 auf dem Schiff in Grönland.
Diese Schweizer scheinen ein sehr offenes, freundliches Völkchen zu sein, denn beide haben uns ohne Umschweife eingeladen, sie doch einfach mal zu besuchen. Gesagt, getan. Der Blick vom Säntis war einfach nur atemberaubend schön. Und auch der Sonnenuntergang auf der Burg Hohenstaufen und die Abende am Kaminfeuer ließen mich denken: So kann es weitergehen!
…und dann brach die Katastrophe über uns herein
Als wir nach Hause kamen merkten wir, dass mit unserem Kater Johnny etwas nicht stimmte. Er war viel zu warm und schien Schwierigkeiten mit den Augen zu haben. Spät abends fuhren wir in die Notfallambulanz der Tierklinik Gießen und ab da begann ein dreiwöchiger Kampf. Gegen Nieren- und Herzprobleme, Katzenschnupfen, Fieber und letztendlich die fast tödliche Diagnose FIP. Wir haben alles versucht. Alles.
Diese drei Wochen waren mit die härtesten meines Lebens. Ich musste funktionieren und arbeiten, fast täglich in die Klinik fahren, mich um die richtigen Medikamente kümmern, lernen, subkutane Spritzen zu setzen. Immer wieder Johnny nach Hause holen, versuchen, ihn hier zu behandeln, Fieber zu messen, Spritzen zu geben, Tabletten einzuflößen. Die ständige Sorge um dieses so geliebte Wesen, dazu das Geld, das in Summen für die Behandlung draufging, dass man es keinem erzählen möchte. Und das alles musste ich allein bewältigen, denn mein Mann musste für mehrere Monate beruflich nach Hamburg.
Ich habe gekämpft, ich habe für diesen kleinen Tiger gekämpft, wie selten für etwas. Und dabei habe ich versucht, stark zu bleiben. Ich kenne im Deutschen kein Wort, das es genau trifft, aber ich habe immer gedacht: “Capable. Anuschka, du bist capable. Du bist in der Lage, diese Sorge und diese Angst und die Schmerzen auszuhalten. Du bleibst nicht morgens einfach im Bett liegen. Du gehst duschen und in dein Büro und dann arbeitest du und verdienst das Geld, dass du brauchst, um Johnny zu retten. Und du isst anständig und du behältst dich im Griff.”
Am Ende
Aber als Spritzenabszesse und entzündete Gelenke hinzukamen, musste ich aufgeben. Ich musste Johnny gehen lassen. Diesen armen kleinen, tapferen Kerl, der erst zwei Jahre bei uns gewesen war und noch so viele glückliche Katzenjahre hätte erleben sollen. Der bis zum Schluss gekämpft hat und immer lieb und froh war, auch wenn wir ihn mit Spritzen und Fieberthermometern gequält haben.
Ich kann nicht sagen, dass die Entscheidung am Ende schwer war, denn selbst die sehr empathische Tierärztin sagte, es sei nun Zeit. Damit wusste ich, dass ich das Richtige tue. Und dennoch. Dennoch. Ich denke jede:r, der oder die schon mal ein geliebtes Tier gehen lassen musste, kann sich vorstellen, wie es sich angefühlt hat. Wie ungerecht, wie falsch. Wie weh es getan hat, ihn auf meinem Schoß sterben zu lassen.
Nachdem ich das letzte Mal in der Tierklinik in Gießen gewesen war und ohne Johnny nach Hause kam, als ich die Wohnungstür aufschloss und nichts als Leere und Einsamkeit auf mich wartete, da wusste ich: Ich muss hier weg. Fast panisch fing ich an, Sachen in meine Reisetasche zu werfen. Ich schrieb ein paar Nachrichten an Menschen, die mich gern haben und die mich jeweils ein paar Tage bei sich aufnehmen würden.
Meine Flucht
Ich packte alles ins Auto, was ich für ein paar Wochen unterwegs brauchen würde und dann fuhr ich einfach los. Zuerst nach Köln, dann in die Niederlande, nach Hamburg, nach Berlin. Die langen Autofahrten waren meine Zeiträume, in denen ich trauern konnte. Ich habe es perfektioniert, gleichzeitig konzentriert Auto zu fahren und mir dabei die Seele aus dem Leib zu weinen.
Gleichzeitig musste ich präsent und lustig und unterhaltsam meine Vorträge halten, denn es hatte ja niemand dafür bezahlt, meinem Schluchzen zu lauschen. Außerdem galt es, meinen Probevortrag auf der Vortragsbörse der Gesellschaft Bild und Vortrag zu halten, um dort aufgenommen zu werden. Ich funktionierte, den Umständen entsprechend sogar verblüffend gut. Und trotzdem war ich fast immer traurig.
Aber mit der Zeit wurde es besser. Und nach einigen Wochen hatte ich Glück. Mein Mann konnte ein paar Hebel in Bewegung setzen und ich bekam die Möglichkeit, für den Rest seines Lehrgangs zu ihm in die Kaserne ziehen. So konnten wir wieder zusammen sein. Und da ich seinen Spielerechner im Gepäck hatte, auch den ein oder anderen Abend mit Baldur’s Gate III verbringen.
Vor allem habe ich hier aber meine erste Reise als wissenschaftliche Expertin an Bord der Hanseatic inspiration vorbereitet. Ich recherchierte zu vier verschiedenen Vortragsthemen, besorgte alte Tagebücher von Expeditionen, suchte vergessene Gräber auf Friedhöfen, durchwühlte Archive für Bildmaterial und ließ Kameraden meines Mannes kurze Abschnitte einsprechen, die ich mit KI-generierten Bildern unterlegte, um die Geschichte noch greifbarer zu machen.
Auf in die Arktis
Und während der Sommer langsam auch nach Hamburg kam, bereitete ich mich auf meine Zeit im Eis vor. Anfang Juli war es dann soweit, früh morgens ging es zum Flughafen Hannover und von dort weiter nach Spitzbergen. Die Zeit an Bord war unglaublich intensiv: Lange, lange Arbeitstage voller sozialer Interaktion, körperlicher Anstrengung und geistiger Höchstleistung gepaart mit einfach unglaublichen Erlebnissen.
Und wie jedes Mal, wenn ich dort oben bin, hat sich die Arktis in jedem noch so schmerzenden Winkel meines Herzens breit gemacht. Die Mitternachtssonne, das Packeis, die auf meinen Wangen trocknenden Tränen, als ich zum ersten Mal Walrosse gesehen habe. All das (und seien wir ehrlich, auch, dass ich gar keine Zeit mehr hatte, an irgendetwas zu denken, wenn ich abends wie tot ins Bett fiel) half mir, wieder mehr ich selbst zu sein.
Und der möglicherweise schönste Satz, den jemals jemand zu mir gesagt hat, gesprochen von einer Passagierin:
“Frau Dinter-Mathei, ich muss Ihnen sagen, Sie sind die entzückendste Person an Bord!”
Wenn man sowas hört, ist alles Anstrengende und alle Traurigkeit vergessen und man schwebt wie auf Wolken.
Kleine und große Abenteuer
Wie im Rausch verflogen die Tage an Bord und irgendwann landete ich wieder in Deutschland. Den Rest des Jahres wollte ich nun eigentlich etwas ruhiger angehen, aber stattdessen gab es jede Menge Action. Aber ganz wunderschöne, guttuende Action. Wir haben viele Ausflüge gemacht, waren wandern in und um Marburg, haben Freunde und Familie in Deutschland und Holland besucht, waren am Meer, auf Burgen und im tiefsten Wald unterwegs.
Mittendrin ist dieser Blog hier stolze 10 Jahre alt geworden und ich konnte es mir nicht nehmen lassen, das ein bisschen zu feiern. Auch jobtechnisch lief es gut, ich habe einen weiteren festen Kunden gewinnen können, mit dem ich sehr happy bin und der mich meinem Ziel der finanziellen Sicherheit wieder ein Stückchen näher bringt.
Im September durfte ich auf der Jahrestagung der deutschen Reisejournalisten in Aschaffenburg einen Kurzvortrag halten und über meinen Weg zu Hapag Lloyd berichten. Schließlich hatte dort, auf meiner ersten Tagung 2023 alles seinen Anfang genommen. Wer mehr wissen will, hier geht’s zum Jahresrückblick 2023.
Über meinen 35. Geburtstag sind wir spontan nach Rom gereist. Engelsburg, Vatikan, Kolosseum, Pizza, Pasta, Dolce Vita – wir ließen es uns gut gehen. Und an meinem Geburtstag selbst sind wir mit einer kleinen roten Vespa ins Bergdorf Tivoli gefahren. (Ich hoffe, ich schaffe es noch den Artikel zu schreiben!) Schöner kann man seinen Ehrentag nicht verbringen, oder?
Jahreszeiten bewusst genießen
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber etwas, dass ich ganz besonders vermisse aus meiner Kindheit, ist das intensive Wahrnehmen der Jahreszeiten. Besonders in der Grundschule wurde man sozusagen an die Hand genommen, um diese zu erleben. Die Ferien, das Basteln von Laternen, Adventssingen… Ich vermisse das. Ich vermisse es, jede Jahreszeit zu zelebrieren und seit ich selbstständig bin nehme ich mir immer wieder die Zeit, um einen richtigen Frühling-, Sommer-, Herbst- oder Wintertag zu erleben. Wenn im Sommer die Felder hoch stehen fahre ich Rad, wenn sich die Blätter im Herbst verfärben sammle ich Kastanien und wenn ein paar Flocken fallen renne ich raus , um einen Schneemann zu bauen.
Gut, vielleicht verbringe ich auch einfach zu viel Zeit auf Instagram.
Ende Oktober habe ich meinen Mann auf jeden Fall genötigt, einen richtigen Halloween-Abend mit mir zu verbringen: Mit Sugar Skull-Make-up, Geister-Kostüm, Kürbisschnitzen und Sleepy Hollow! Es hat mir so viel Spaß gemacht, auch wenn es “nur” wir beide waren. Aber seien wir ehrlich, ich war auch nie der Typ für große Partys mit vielen Menschen.
Die nicht so gute Nachricht
Also alles gut.
Naja, wie man’s nimmt. Denn während das alles positive Dinge sind, gab es natürlich auch ein paar nicht so schöne. Der für mich schwerste Moment war der, als mein Arzt mir sagte, dass ich über kurz oder lang wohl den Großteil meiner Haare verlieren werde, wenn ich nicht medikamentös dagegen ankämpfe. Und das, nachdem ich schon wochenlang jeden Tag Strähne um Strähne weinend aus Dusche und Haarbürste gesammelt hatte. Nachdem ich eigentlich gehofft hatte, auf Hormone zu verzichten, die ich schon mein halbes Leben genommen habe. Und stattdessen nun die Gewissheit, dass ich noch stärkere nehmen muss.
Es waren harte Wochen, in denen ich mich immer wieder zusammenreißen und mir vor Augen führen musste, dass das nicht so schlimm ist, wie es sich anfühlt. In denen ich aber auch ganz bewusst versucht habe, dankbar für all das Gute in meinem Leben zu sein und vor allem dafür, dass ich nicht nur schnell eine Diagnose bekommen habe, sondern auch, dass es sich “nur” um ein kosmetisches Problem handelt, dass vielleicht sogar behandelt werden kann.
Trotzdem fühlte ich mich verraten und betrogen von meinem eigenen Körper und das war kein schönes Empfinden. Durch all diese Höhen und Tiefen gab es aber mit meinem Mann jemanden, der mich bedingungslos unterstützt, getröstet und aufgefangen hat. Das angeblich “verflixte” siebente Jahr hat uns noch enger zusammengeschweißt und als wir vor ein paar Tagen eine kleine Rückschau hielten sagte er: “Dieses Jahr hat uns beiden ordentlich auf die Fresse gegeben, aber eine Sache war immer gut und das waren wir.”
Die “Herde” ist wieder komplett
Und zum Ende des Jahres ist dieses “Wir” nochmal ein bisschen größer geworden. Denn nachdem ich mich lange und intensiv mit meiner Trauer um Johnny auseinandergesetzt hatte, war ich bereit, wieder jemanden in mein Herz zu lassen. Mein Mann sprach schon seit Monaten davon, wollte mir aber Zeit lassen, soviel ich brauchte. Im November war es dann so weit, wir fuhren ins Marburger Tierheim.
Dort lernten wir Jolly und Jingle kennen, ein orangener Tigerkater und seine winzige, graugetigerte Lady. Die beiden wurden von ihrer Vorbesitzerin einfach zurückgelassen und nach zwei Wochen durch Hausmeister und das Tierheim sichergestellt. Anfangs hatte ich Bedenken, ob ein orangener Kater nicht zu viel des Guten wäre, aber Buster (so heißt Jolly jetzt) hat sich nicht in mein Herz geschlichen, er hat es innerhalb von Minuten einfach plattgewalzt.
Katinka (vormals Jingle) war etwas zurückhaltender, aber für meinen Mann und mich war sofort klar: Mit den beiden ist unsere “Herde” (Hallo an alle Ice Age-Fans) wieder komplett. Seit ein paar Wochen haben die beiden nun ein Für-immer-Zuhause bei uns. Buster nimmt liebend gern architektonische Umgestaltungen im Katzenklo vor und ist ein wahrer Kampfschmuser, Katinka ist die winzigste Katze, die ich je gesehen habe, und möchte unbedingt schmusen, steht sich dabei aber noch ein bisschen selbst im Weg.
Nur zu viert haben wir dieses Jahr Weihnachten in Kirchhain gefeiert und ich hätte es mir schöner nicht vorstellen können. Für mich war 2024 eine echte Achterbahnfahrt, mit emotionalen Höhen und Tiefen, mit Überraschungen und Veränderungen.
Und trotzdem auch mit Konstanten: Mit jeder Menge Liebe und jeder Menge Reisen. Und wisst ihr was? Davon wird es nächstes Jahr noch viel mehr geben.
Könnte es bessere Aussichten geben? Ich glaube nicht.
8 Comments
Andrea Schlüter
Sehr schön geschrieben, hast Schlimmes durch, kann es nachvollziehen! Wir hatten auch viele Einschnitte 2024, aber es macht auch stark! Alles Liebe! Grüße Andrea Schlüter
Rosa
Liebe Andrea,
danke für die lieben Worte. Ich will mich wirklich nicht beschweren, denn wie du sagst hab ich das Gefühl, dass einiges, was ich überstanden habe, mich widerstandsfähiger gemacht hat. Und ich bin für sehr vieles einfach dankbar.
Ich wünsche euch, dass 2025 ein tolles Jahr wird und dass ihr einen schönen Jahreswechsel!
Alles Liebe
Anuschka
Monika Brüggendieck
Hallo Anuschka,
Ja, du hattest wirklich ein turbulentes Jahr2024.
Ich habe gerade ein paar Tränen für deinen Kater geweint.
Ich habe vor einigen Jahren auch so etwas mit meinem Kater Charly durchgemacht. Und ich musste ihn auch gehen lassen.
Danach kam Pelle zu mir, und dann ging es wieder bergauf.
Jetzt ist Pelle fast 16 Jahre alt, mit einem halben Jahr kam er aus dem Tierheim zu mir.
Ich wünsche dir viel Spaß mit deinen beiden süßen Familienmitgliedern 😻
Und alles Gute für 2025..
LG Monika
Rosa
Liebe Monika,
danke für dein Mitgefühl.
Ich hoffe, dass Pelle noch einige schöne Jahre mit dir vor sich hat. Aber es klingt, als ob er mit dir ein sehr erfülltes Katzenleben lebt! <3
Alles Liebe
Anuschka
Laura
Was für ein fantastisch ehrlicher Rückblick! Ich wünsche dir viel Stärke für das kommende Jahr 😘
Rosa
Danke, liebe Laura!
Ich freue mich sehr, dass wir uns schon bald sehen und besonders natürlich auf August, wenn wir euch endlich gebührend feiern! 🥳
Frank
Liebe Anuschka,
Es ist wieder sooo schön von Dir zu lesen.Deine Natürlichkeit und Menschlichkeit ist immer in Deinen Berichten zufinden. Danke dafür !
Dir und Deinen Lieben alles erdenklich Liebe und Gute für 2025.
Vom Frank
Rosa
Lieber Frank,
vielen Dank für deine treue Leserschaft auch in diesem Jahr, dass nun nicht so einfach war. Ich bin aber zuversichtlich, dass 2025 besser und voller schöner Erlebnisse und aufregender Abenteuer wird.
Auch ich wünsche dir für das kommende Jahr nur das Beste und hoffe, dich weiter hier zu lesen!
Alles Liebe
Anuschka