Zur Hallig und den Seehundbänken: Versuch einer Nordsee-Ausflugsfahrt
Nordsee – Da hab ich direkt stürmisches Wetter, graue Wellen und schaukelnde Schiffe im Kopf. Obwohl mein Segeltrip dank Seekrankheit vielleicht nicht ganz so verlief, wie geplant, habe ich die Seefahrt nicht an den Nagel gehängt. In St. Peter Ording treffe ich mich mit dem Fotograf Johannes, den ich auf einem Vortrag kennengelernt habe. Und da wir echtes Nordsee-Feeling wollen, buchen wir eine Tour auf einem Ausflugsschiff.
Geplant ist das Rundum-Paket: Fahrt zur Hallig, Besuch der Seehundbänke und Seetierfang an Bord! Wer sich jetzt fragt, was zum Poseidon eine Hallig ist, dabei handelt es sich um kleine Inseln im Marschland vor der Küste. Sie sind nicht “wetterfest”, das heißt, bei Sturmfluten können sie überschwemmt werden. Und das erweist sich als klitzekleines Problem.
Wenn die Nordsee die Hallig verschluckt
Denn als wir im Hafen von Strucklahnungshörn ankommen, ist eigentlich noch alles, wie ich es mir ausgemalt habe. Das Wetter ist grau in grau, es fisselt und das Meer sieht so aus, wie ich mir die Nordsee vorstelle. Die Adler V, unser Vehikel, liegt im Hafen und wartet auf uns. Doch noch bevor es losgeht, kommt die Hiobsbotschaft. Wegen einer Springflut am Vortag kann die Hallig Hooge, die wir besuchen wollten, nicht angefahren werden. Puff, da schrumpft unser Tagesausflug zu einem kleinen Toürchen (Ich meine eine kleine Tour. Wie schreibt man das?!) zusammen.
Na gut, wir lassen uns die Laune nicht verderben und stratzen frohgemut an Deck. Schließlich warten ja noch die Seehunde und der Seetierfang auf uns. Und für den Rest des Tages wird mir schon was einfallen. Pünktlich legt unser Ausflugsboot ab und wir bringen die Kameras in Anschlag. Auch wenn ich mir recht mickrig neben Johannes vorkomme, der a) natürlich das bessere Equipment und b) was viel entscheidender ist, die Skills hat. Unsere Geschichte und wie es zu der Verabredung kam, könnt ihr übrigens hier nachlesen.
Ich knipse also fleißig drauf los und bin trotz Hallig-Ausfall absolut bereit, mich begeistern zu lassen. Das ist übrigens eine Einstellung, die ich jedem auf Reisen sehr ans Herz lege. Ist nicht immer einfach und auch nicht immer durchführbar, hilft einem aber sehr, über Enttäuschungen hinwegzukommen. Und ich gestehe, nach Corona-Lockdown bin ich derart ausgehungert, dass mich so gut wie alles außerhalb meiner vier Wände in Jubel ausbrechen lässt.
Da ist zum Beispiel der kleine Miniatur-Leuchtturm im Hafen, das Tauwerk, von dem das Salzwasser tropft, der elegante Flug der jungen Mantelmöwe, deren braunes Gefieder sich in die monochrome Landschaft einfügt. Der heiße Tee in der Kabine am Tisch mit der darauf gedruckten Karte. All das macht mir Freude und mit dem Wind um die Nase und den Seehunden in Aussicht bin ich absolut zufrieden. Außerdem verschont mich die Seekrankheit diesmal und es ist nicht zu leugnen, dass es deutlich angenehmer ist, die Bootstour diesmal aufrecht stehend und nicht kotzend über Bord hängend zu bestreiten.
Land unter bei den Seehundbänken
Wir lauschen den Durchsagen unseres Kapitäns, der uns die Hallig aus der Ferne zeigt. Und dann, Puff, verschwinden auch die Seehundbänke vom Tagesplan. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn da die Springflut sich immer noch auswirkt, sind die Bänke geflutet, bevor wir sie mit unserem Schiff erreichen können. Wir sehen den ein oder anderen Schatten in der Ferne, der ein Seehund sein könnte. Mmpf. Na gut, was nicht is, is nicht. (Johannes’ Objektiv beweist mir später, dass es tatsächlich Seehunde waren.) In meinem Kopf sehe ich schon, dass in der nächsten Minute das Netz abreißt und es auch keinen Seetierfang gibt. Aber das passiert glücklicherweise nicht und kurz darauf versammeln sich alle Ausflügler im Heck der Adler V.
Was krebst denn da?
Bei dem Seetierfang wird einmal das Netz ausgeworfen und dann bekommen wir den Fang von einem Crewmitglied gezeigt und erklärt. Alles wird danach wieder ins Meer geworfen und ich hoffe, dass Fischlein und Krebse das Ganze nicht als zu traumatisch empfinden. So bietet sich uns aber die Gelegenheit, etwas über Flora und Fauna am Objekt zu lernen und darauf freue ich mich schon.
Das Netz kommt also gefüllt an Bord und wird in eine flache Metallwanne mit Wasser geleert. Als erstes schauen wir uns die kleinen Schollen genauer an. Diese wie plattgehauen aussehenden Fische werden nicht so geboren, sondern drehen sich erst im Lauf ihres Lebens auf die Seite und dann wandert auch das zweite Auge nach oben. Kurios, was so alles möglich ist. Und wie alt diese Tiere werden. Nicht, dass ich fischtechnisch besonders gebildet wäre, aber bis zu 45 Jahre hätte ich nicht erwartet!
Nach der Scholle rückt die pazifische Schwertmuschel ins Rampenlicht. Diese Muschel steckt normalerweise senkrecht im Sand und stammt, wie der Name ahnen lässt, nicht aus unseren heimischen Gefilden. Sie wurde in den 70er Jahren eingeschleppt: Durch die Aufnahme von Wasser des Pazifiks in ihre Ballasttanks und eine Entleerung selbiger in die Nordsee haben große Schiffe sie einmal um die halbe Welt transportiert. Jetzt lebt sie auch in der Nordsee und anscheinend gefällt es ihr hier.
Zu guter Letzt widmen wir uns dem Krebs und den Garnelen. Während Garnelen Krebstiere sind, werden sie gepult auch gerne als Krabben bezeichnet, was aber wiederum eine andere Art von Krebstieren ist. Da es sich aber scheinbar irgendwie immer um Krebstiere handelt, übernehme ich die Bezeichnung jetzt einfach mal für den kleinen Kerl, den wir uns genauer anschauen. Wir lernen, dass sich Krebse sozusagen “häuten”, wenn sie ihrem Panzer entwachsen.
Wie das geht? Sie entziehen ihrem Körper Wasser und lassen ihn dadurch kurzzeitig schrumpfen um sich aus dem alten Panzer herauszuwinden. So erklärt es uns zumindest unser Meisterfischer und meint, er sei ein bisschen neidisch, dass er das nicht auch könne, während er lachend auf seinen Bauch deutet.
Die Nordsee macht, was sie will
Am Ende dürfen dann alle Tierchen wohlbehalten zurück in die Nordsee und wir nähern uns wieder der Küste. Ich habe nicht wirklich das gesehen, was ich geplant hatte und strahlender Sonnenschein, war auch nicht drin. Bin ich traurig oder sogar enttäuscht? Ein bisschen vielleicht, auf die Seehunde hatte ich mich doch gefreut. Aber so ist das mit der Natur. Sie hat ihre eigenen Launen und hält sich an keinen von Menschen gemachten Plan. Und das ist genau gut so, denn wie langweilig wäre bitte die Alternative? Die Seehunde hatten halt heute touri-frei. Der Krebs hat sie wahrscheinlich beneidet!
Auch in diesem Artikel stammt wieder ein Großteil der Fotos von Johannes von Kaiser Schäfer Fotoworks. Ich möchte mich bei ihm für die tolle Arbeit und die lustige Zeit von Herzen bedanken!