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Von Leuchtschiffen und Moorleichen: Ein Tag in Emden

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Eigentlich wollten mein Freund und ich bei einem seiner Kumpel in Lübeck übernachten. Doch dank männlichen Kommunikationstalents erweist sich das letztlich als nicht praktikabel. Ein neuer Plan muss her. Gut, dass ich beim Reisen selten um Einfälle verlegen bin und so ist das alternative Ziel schnell gefunden: Emden, die größte Stadt Ostfrieslands.

Da wir in Corona-Zeiten nicht die Einzigen sind, die innerdeutsch ihren Urlaub verbringen, sieht es mit dem Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten aber eher mau aus. Zum Glück bekomme ich das letzte Zimmer im Quartier 96. Ohne groß zu wissen, was das ist, drücke ich den „Jetzt buchen“-Button und kuschele mich mit dem wohligen Gefühl in meine Koje, dass wir auch morgen ein Bett haben werden. Und sogar eins, das nicht schwankt und sich auf festem Boden befindet!

Ehemals Kaserne, heute Hotel in Emden – Quartier 96

Bei dem Quartier 96, auch Boardinghouse genannt, handelt es sich um eine ehemalige Kaserne, mein Freund fühlt sich also direkt zu Hause. Der große, maritim wirkende Backsteinbau hat aber nichts von einem traurigen Betonklotz, falls man das denken würde. Im Gegenteil, nach dem Umbau zum Hotel wirkt es trotz seiner Größe sehr gemütlich, und da viel Platz war, sind auch die Apartments äußerst geräumig. Kochmöglichkeiten gäbe es sogar auch, aber für einen Abend entscheiden wir, lieber in Emden selbst zu essen.

Schwimmender Leuchtturm und springendes Wasser

Da das Boardinghouse etwas außerhalb des Stadtzentrums von Emden liegt, fahren wir mit dem Bus bis zur Haltestelle „Am Delft“. Hier liegt das Feuerschiff „Amrumbank/Deutsche Bucht“ vor Anker. Das rot leuchtende Schiff lief 1915 vom Stapel und wurde als schwimmender Leuchtturm eingesetzt, erst an der Eidermündung, dann auf der Amrumbank und zuletzt in der Deutschen Bucht. 1983 folgte die Außerdienststellung. Heute ist es ein Museumsschiff und zugleich Restaurant. Ich hätte nichts lieber getan, als hier zu essen und mich umzuschauen, aber leider ist das Schiff momentan wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.

Wir schlendern also weiter durch die Straßen Emdens und kommen schließlich im Störte unter. Das Bistro liegt direkt an einem Platz mit Wasserfontäne auf den die Abendsonne scheint. Die hochschießenden Wassersäulen faszinieren besonders die Kinder, und so herrscht ein fröhliches, aber irgendwie friedliches Treiben.

Die Stunden fliegen nur so dahin mit Atlantik-Ale, Schokodessert und tiefgründigen Gesprächen und irgendwann wird es Zeit, sich wieder ins Quartier 96 zu begeben. Leicht angeschickert eiern wir am Hafentor von Emden vorbei durch die backsteindominierten Straßenzüge, immer auf der Suche nach einem Bus, der uns an unseren Zielort bringen könnte. Doch das erweist sich irgendwie schwieriger als gedacht.

Ein Hoch auf unseren Emder Busfahrer!

Plötzlich taucht hinter uns ein Bus auf, nur leider weit und breit immer noch keine Haltestelle in Sicht. In der Hoffnung, dass sie sich vielleicht hinter der nächsten Kurve versteckt, jogge ich hochmotiviert und etwas unkoordiniert los. Das wäre aber gar nicht nötig. Der Busfahrer, der mein Manöver richtig gedeutet hat, lächelt und hält sein leeres Fahrzeug einfach direkt neben uns an. Freudestrahlend steigen wir ein. Ein Hoch auf unseren Busfahrer! Und einen schönen Gruß in die Kölner Heimat, wo man mir des Öfteren die Bustür vor der Nase zugeknallt hat, trotz olympiareifem Spurt und bittender Gesten meinerseits.

Unser Busfahrer in Emden hingegen ist die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in Person. Er fährt zwar nicht genau zur ehemaligen Kaserne, aber er hält in der Nähe und erklärt uns den Rest des Weges. Im Quartier schlafen wir uns dann richtig aus, denn am nächsten Tag erwartet uns ein Besuch im Rathaus.

Ostfriesisches Landesmuseum im Emder Rathaus

Dort befindet sich das Stadtmuseum und eigentlich wollten wir diesem direkt nach dem Frühstück einen Besuch abstatten. Aber Achtung: Unter der Woche macht das Museum manchmal erst um 12 auf! Als die Turmuhr schlug waren wir aber bereit und durften als erste ins Gebäude. Leider hatten wir aufgrund unseres nächsten Programpunktes jetzt nicht mehr so viel Zeit. Daher haben wir uns auf das konzentriert, was uns am meisten interessiert hat, und das waren die Rüstkammer, der Rathausturm und die Moorleiche.

Die Rüstkammer hat vielleicht nicht das eine Glanzstück, dafür aber sehr reichhaltige Bestände, von denen eine Vielzahl an Exponaten gezeigt wird. Man könnte jetzt jammern: Masse statt Klasse, aber da alles sehr kompakt in wenigen Räumen gezeigt wird, habe ich das nicht so empfunden. Im Gegenteil, ich fand es eigentlich ganz amüsant, dass ich mir bei der Anzahl der zur Schau gestellten Piken und Harnische ein bisschen wie in einem Geschäft vorkam.

Als nächstes ging es die Treppe hoch auf den 38 Meter hohen Turm, von dem man eine wirklich schöne Aussicht über den Delft und die orangenen Ziegeldächer Emdens hat.

Und zum Schluss schauen wir uns dann noch die Moorleiche von Emden an. Oder eigentlich nicht von Emden, denn sie wird „Der Mann von Bernuthsfeld“ genannt, nach ihrem Fundort. Sie ist etwa 1200 Jahre alt, stammt also aus dem 8. Jahrhundert. Torfstecher entdeckten sie 1907 bei der Arbeit im Moor. Durch dieses wurde auch nicht nur der Leichnam, sondern auch dessen Kleidung konserviert, die man hier im Original und auch als Schaumodelle bewundern kann. Anhand eines digitalen Röntgenapparates, den man über das Skelett schiebt, erfährt man, welche Verletzungen und Krankheiten der Mann hatte, was er wahrscheinlich gearbeitet hat und wie alt er war.

Alles in allem hatten wir einen wirklich schönen Tag in Emden, auch wenn es zu Beginn gar nicht zu unserer Route gehörte. Ich weiß nicht, ob ich hier länger Urlaub machen würde, aber bei einem Aufenthalt von 24 Stunden muss man sich definitiv nicht langweilen!

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