Interview Sonja Lenz Island

Von lachenden Steinen und reißenden Flüssen

Über zwei Ecken lerne ich Sonja Lenz kennen. Ihr Lebenslauf macht mich sofort neugierig: Studierte Vulkanologin, die nach einem Ausflug in die journalistische Arbeit eine eigene Reiseagentur gegründet hat und jetzt Wanderreisen nach Island anbietet. Weil ich mehr wissen will, habe ich ein kleines Interview mit ihr geführt.

Ein Fluss im Süden Islands, in der Mitte ein Bus mit Motorschaden. Durch das Fenster klettert eine Frau nach draußen. Die Strömung reißt sie von den Füßen und sie muss sich anstrengen, um auf allen Vieren ans Ufer zu gelangen. Dort angekommen ist sie nicht nur klatschnass, sondern hat auch ihr Portemonnaie verloren. So beginnt Sonja Lenz die Schilderung von ihrem schönsten Erlebnis als Reiseleiterin.

Als Studentin nach Island

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Als Geographiestudentin ist Lenz nach Island gekommen, um sich auf der Insel Heimaey im Süden Islands mit Vulkanen zu beschäftigen. In der achten Klasse hat sie ein Schulbuch, das einen isländischen Vulkan auf dem Cover zeigt. Von da an ist für sie klar: Ich werde Vulkanologin. Nach dem Abitur schreibt sie sich zunächst für Geologie ein. Aber bald wird ihr klar, dass ihr das Fach zu eng fokussiert ist und sie wechselt zur Geographie, ein Fach, in dem auch Ethnologie und Kulturwissenschaft eine Rolle spielen. Sie bewirbt sich für Praktika auf der ganzen Welt. Während Sie von manchen Institutionen nicht einmal eine Antwort erhält, geben die unkomplizierten Isländer ihr sogar zeitlichen Spielraum. Sie fragen einfach: Für wie lang möchten Sie zu uns kommen?

Journalistin und Reiseleiterin

Statt also nur ein kurzes Praktikum zu absolvieren, entscheidet sich Lenz, ihre Diplomarbeit dort zu schreiben. Es wird ein halbes Jahr, das sie auf Island verbringt. Danach möchte sie promovieren. Doch wie das so ist im Leben, manchmal geht es seinen ganz eigenen Weg. Und so wird Lenz nach einem Abstecher in den Journalismus Reiseleiterin bei Wikinger Reisen. Das Unternehmen sucht Personal für Island. Lenz führt Touristengruppen über die Insel, referiert über Flora und Fauna und übernimmt die Organisation für Gruppenreisen. Zum ersten Mal macht sie die Erfahrung, dass die Menschen sich wirklich für das interessieren, was sie erzählt. Im Gegensatz zur Universität, wo jeder darum bemüht ist, seine eigene Forschung voran zu bringen und sich selbst zu profilieren, begeistern sich die Menschen nun ehrlich für das, was Lenz ihnen bietet. Wanderungen durch die abwechslungsreichen Landschaften, gespickt mit dem Wissen einer Wissenschaftlerin.

Es gibt auch negative Erlebnisse. Zum Beispiel, wenn die Gäste eigentlich keine Lust zum Wandern haben, sich über zu wenig Farbe in der Landschaft beschweren oder die Reiseleiterin für ihre eigene Unachtsamkeit und wunde Füße verantwortlich machen. Aber auch darüber kann Lenz mit Freundlichkeit und Disziplin einer Dienstleisterin hinwegsehen. Oder dafür sorgen, dass die Wandernden inne halten, die Augen aufmachen und die Schönheit der Landschaft entdecken und annehmen.

Der Schritt in die Selbstständigkeit

„Ihre“ Insel Heimaey hat Lenz aber nicht vergessen und schwärmt den Gästen oft davon vor. Schließlich wird ihr klar, dass sie sich intensiver mit Reisen nach Heimaey beschäftigen will. Sie arbeitet ein Konzept für eine Insiderreise aus. Dieses wird wohlwollend aufgenommen, allerdings nicht finanziell honoriert. Und da beschließt Lenz, dass sie es auf eigene Faust versuchen will. Und gründet inselzeitreisen, ein Unternehmen, das sich Slow Travel auf die Fahne geschrieben hat. Hier kann man Reisen buchen, die nicht hektisch und aufregend, sondern vor allem erholsam sind. Es geht darum, sich Zeit zu nehmen, im besten Fall eine Auszeit. Statt pausenlosem Sightseeing wird eine Landschaft zu Fuß und in der Gruppe erwandert. Und weil dies nicht nur auf Island funktioniert, bietet Lenz auch Reisen nach Sizilien, Mallorca und in deutsche Regionen an. Außerdem unterstützt inselzeitreisen den Individualtouristen bei Reiseplanungen, beispielsweise bei Buchungen von Unterkunft und Mietwagen.

Zunächst hat Lenz selbst bei inselzeitreisen als Wanderführerin gearbeitet. Momentan ist sie durch ihre Familie in Deutschland gebunden und koordiniert von zu Hause die anderen Reiseleiter. Aber sobald die Kinder alt genug sind, will sie selbst wieder Menschen von Island begeistern.
In unserem Gespräch wird eins überdeutlich: Sonja Lenz weiß was sie will und sie hat die Energie und den Durchhaltewillen, ihre Ziele zu erreichen. Auch wenn das heißt, mal einen Umweg zu gehen. Und das beeindruckt und motiviert mich, an meinem eigenen Berufstraum weiter zu arbeiten. Der ist zwar noch nicht klar umrissen, dreht sich aber ums Reisen und Schreiben.

Þetta reddast

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Das Schöne an dem zu Anfang beschriebenen Erlebnis war übrigens nicht das Bad im Fluss, sondern das Kennenlernen der isländischen Lebensphilosophie. Die heißt nämlich “Þetta reddast“, grob übersetzt: „Es rettet sich“. Gar nicht so weit entfernt vom kölschen „Et hät noch immer jot jejange“. Und in diesem Sinn kam die Sonne hinter den Wolken hervor, als Sonja Lenz aus dem Fluss krabbelte, am Ufer fand sie einen Stein, der sie anlächelte und zwei Thüringer fanden ihr Portemonnaie. Das kam dann über Reykjavik zu ihr zurück. „So ist Island: unkompliziert, abwechslungsreich und manchmal eine echte Herausforderung. Aber gerade deswegen begeistert das Land so“, sagt Sonja Lenz. Wie sie mir verrät, ist es aber natürlich auch eine Frage der richtigen Einstellung, ob die Dinge sich positiv entwickeln. Und die hat sie auf jeden Fall.

Die in diesem Artikel befindlichen Bilder hat Frau Lenz mir dankenswerterweise kostenfrei zur Verfügung gestellt.

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