Spitzbergen-Umrundung: Samarinvågen

Das Beste kommt zum Schluss. So heißt es doch, oder? Und irgendwie stimmt das auch. Wobei diese Reise rund um Spitzbergen nun wirklich nicht arm an Highlights war. Ich gestehe, es gab auch ein paar weniger spannende Landestellen, aber zum Beispiel Smeerenburg, Frambukta, das Packeis und die Palanderbukta werde ich nie vergessen. Und jetzt kommt der krönende Abschluss. Vorhang auf für Samarinvågen!

Das hier ist der letzte Landeplatz bevor wir Spitzbergen verlassen und natürlich möchten wir uns mit einem Knall von unseren Gästen verabschieden. Und das tun wir, mit einer Landschaft, die nicht lauter “Spitzbergen” schreien könnte und doch mit ihrer majestätischen Stille tief in Geist und Seele eindringt. Denn hier, am Samarinbreen durchbricht nur das Knacken und Bersten des Gletschereises die Ruhe, die über dem Wasser liegt.

Magischer Name, magischer Ort

Benannt ist der Gletscher ausnahmsweise nicht nach einer hochrangigen Persönlichkeit, sondern nach einem Fischer aus Mezen am Weißen Meer, der als Handwerker der russischen Abteilung der schwedisch-russischen Arc-of-Meridian-Expedition nach Spitzbergen (1899–1902) kam. Ich finde, der Klang seines Namens hat etwas Magisches, wenn er über die Zunge rollt. Und magisch ist auch dieser Ort, der einem mit seiner fast mystischen und majestätischen Schönheit den Atem nimmt.

Und das erstmal im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier, am Samarinvågen, erklimmen wir eine steile Seitenmoräne, es geht etwa 100 Höhenmeter hinauf über Geröll und durch weichen Schnee. Doch oben angekommen ist alle Anstrengung vergessen, denn hier erwartet uns eine 360°-Revue Spitzbergens und des Hornsunds.

Der Hornsund: Fjord statt Sund

Streng genommen trägt der Hornsund seinen Namen nicht ganz zurecht. Ein „Sund“ beschreibt eigentlich eine Meerenge, die zwei größere Wasserflächen miteinander verbindet. Doch hier im Süden Spitzbergens handelt es sich nicht um einen Durchgang, sondern um einen tief eingeschnittenen Fjord, der sich fast 25 Kilometer weit ins Landesinnere zieht. Entstanden ist diese Landschaft durch die Arbeit eines Talgletschers, der während der Eiszeiten langsam seewärts wanderte und das Tal ausschürfte. Noch heute erzählen die steilen Felswände, die fast senkrecht aus dem Wasser ragen, von dieser gewaltigen eiszeitlichen Kraft. Benannt wurde der Hornsund übrigens von Jonas Poole (derselbe, nach dem auch Poolepynten benannt ist), der hier einst ein Rentiergeweih fand und den Ort danach benannte.

Oben angekommen, drehe ich mich im Kreis und versuche das Panorama in mich aufzunehmen. Mit einer Kamera lässt sich die Szenerie kaum festhalten: scharfkantige, schwarz-weiße Gipfel, Nebel, der wie eine schwere Decke über den Bergen hängt, türkisfarbenes Wasser, auf dem kleine Schollen treiben. In der Ferne grollt der Gletscher, und in der Bucht liegt unser Schiff, das geduldig auf uns wartet. Manchmal verschluckt der Nebel sogar die Eisbärenwächter, wenn er von den Hängen hinunterwallt. Doch die Männer harren stoisch und geduldig auf ihren nasskalten Posten aus. Wer ein Auge für die kleinen Dinge hat, entdeckt hier oben außerdem das filigrane Aufgeblasene Leimkraut, das zwischen Geröll und Schnee blüht.

Zwischen Gletschern und Gipfeln

Über all dem erhebt sich der Hornsundtind, mit 1.433 Metern der höchste Berg im Süden Spitzbergens. Zum Vergleich: der höchste Gipfel des Archipels, der Newtontoppen, überragt ihn nur um 280 Meter. Steile Felswände, durchzogen von weißen Schneebändern, und ringsum Gletscher mit tiefen Spalten unterstreichen den fast alpinen Charakter dieser Szenerie. So sagt es mir zumindest Jérôme, der sich im Gegensatz zu mir in den Alpen auskennt.

Stille mit verborgenen Besuchern

Samarinvågen ist ein Ort, der wie entrückt wirkt. Die Stille hier oben wird nur von leisen Stimmen der Gäste, dem Knacken des Eises oder dem fernen Brummen unserer Zodiacs durchbrochen. In der Bucht, 100 m unter uns, sind Belugas unterwegs. Man kann sie von hier oben aber kaum sehen, denn das Wasser ist unruhig und voller Eis, es ist nebelig und die Spiegelungen der Berge erschweren das Erkennen. Aber für den ein oder anderen (mich) ist es vielleicht ein schöner Gedanke zu wissen, dass sie dort sind.

Ein letzter Gruß

Und manchmal wenn man hier ist, fast wie ein Geschenk zum Abschied, bricht der Himmel plötzlich auf. Das Grau des Nebels weicht einem strahlenden Blau, Sonnenlicht ergießt sich über Berge, Wasser und Eis. Ein letzter, gleißender Blick auf Spitzbergen, bevor die Reise ihrem Ende entgegengeht.

Und dieses Ende führt uns zurück zum Beginn unserer Reise, den nun haben wir unsere Umrundung vollendet. Von hier ist es nicht mehr weit nach Longyearbyen und von dort nach Hause. Naja, bis zum nächsten Mal. Ich kann es kaum erwarten.

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