
Spitzbergen-Umrundung: Palanderbukta
Ich weiß, ich behaupte ja in jedem Artikel über Spitzbergen, dass die jeweilige Landestelle etwas ganz besonderes sei. Das stimmt grundsätzlich auch und trotzdem gibt es Orte, wo ich nicht mehr auf Anhieb sagen kann, wie es dort aussah, wenn man mir den Namen nennt. Anders ist es bei der Palanderbukta. Die hat sich mit ihren sanften Pastelltönen und dem langen, fast warm wirkenden Steinstrand in beige und zartem Gelb und den überall zu findenden Fossilien tief eingeprägt. Ich würde fast soweit gehen, die Bucht lieblich zu nennen. Also, für Spitzbergenverhältnisse!


Kapitän Adolf Arnold Louis Palander af Vega
Die Palanderbukta ist etwa zwölf Seemeilen lang und fast das ganze Jahr über von Eis geprägt. Erst spät im Sommer öffnet sich das Wasser für Schiffe. Benannt wurde die Bucht nach dem schwedischen Kapitän Louis Palander, der im 19. Jahrhundert an der berühmten Nordenskiöld-Expedition teilnahm. Während der Expedition in den Jahren 1878 bis 1880 übernahm Palander das Kommando über das Schiff Vega. Auf dieser Reise gelang erstmals die Durchquerung der Nordostpassage. Für seine Erfahrung und Umsicht als Schiffsführer erhielt Palander den Adelstitel Baron af Vega (deutsch: Baron von Vega).

Im Spitzbergen-Archipel erinnern mehrere geografische Namen an Palander: eine Insel in der Hinlopenstraße, ein Berg im Wedel-Jarlsberg-Land, Teile des Gletschers Austfonna, ein Tal und ein weiterer Gletscher auf Nordaustlandet sowie unsere Bucht, in der wir nun an Land gehen.
Frostmusterböden und Eiskeilnetze
Das gelbliche Sediment verläuft in Wellen, zieht sich über Hügel von mehreren hundert Metern Länge. Alle ist bedeckt mit flachen, hellen Steinen, die dafür sorgen, dass die Bucht freundlich und beinahe einladend wirkt. Das Zusammenspiel der Farben von Wasser, Eis, Himmel und Bucht ist wunderschön. Und obwohl es so wirkt, als könne hier nichts wachsen, streckt doch immer wieder der Polarmohn tapfer seine kleinen, weiß-gelben Blüten dem Licht entgegen.





Es sieht nicht so aus, als ob einem hier Tiere begegnen könnten und tatsächlich treffen wir weder Vogel noch Vierbeiner hier an. Nur die Knochen verraten uns, dass sich manchmal Rentiere hier aufhalten. Dieses Kalb hat es aber leider nicht geschafft.


Wer ein Auge dafür hat, entdeckt bald Strukturen im Boden: Reihen aus gröberen Kieseln, die von feinerem Material umgeben sind. Es handelt sich um sogenannte Frostmusterböden, genauer gesagt um Eiskeilnetze. Im Winter gefriert der Boden von oben her und das Wasser im Boden dehnt sich aus. Beim wiederholten Gefrieren und Auftauen verschieben sich Bodenpartikel und Steine. Dabei kommt es zu einer Sortierung: feineres Material sammelt sich in der Mitte, gröberes (z. B. Steine) wandert an den Rand. Über die Zeit bilden sich dadurch regelmäßige Strukturen im Boden.


Es gibt verschiedene Formen von Frostmustern, zum Beispiel:
- Steinringe – runde Muster aus Steinen, die von feinerem Bodenmaterial umgeben sind
- Steinnetze – polygonale (meist sechseckige) Netzstrukturen
- Steinstreifen – längliche Muster, die an Hängen entstehen, wenn Steine durch die Hangneigung in Streifen sortiert werden
Wir haben hier, wie man hoffentlich erkennen kann, netzartige Strukturen.
Fossilien und Versteinerungen soweit das Auge reicht
Das Sediment, auf dem wir laufen, ist durchsetzt von Fossilien aus dem Perm und Trias. Überall finden wir fossile Pflanzenreste, Muscheln, Brachiopoden und Korallen, die uns einen Einblick in die uralte Geschichte dieses Landes geben. Es handelt sich um Schätze, die Millionen Jahre alt sind.







Damit ein Fossil entsteht, müssen ganz bestimmte Bedingungen zusammentreffen. Ein Tier oder eine Pflanze wird rasch von Sediment (z. B. Schlamm, Sand, Asche) bedeckt und so vor Zersetzung geschützt. Im Laufe der Zeit dringen Mineralien (z. B. Kalk, Quarz, Eisenverbindungen) in die organischen Reste ein. Diese ersetzen nach und nach die ursprüngliche Substanz. Durch Druck und chemische Prozesse verfestigt sich das Sediment zu Gestein, in dem die Strukturen des Organismus erhalten bleiben.
Hinweis: Keiner dieser Steine darf die Bucht verlassen! Das ist verboten und zwar aus gutem Grund. Also bitte keine Souvenirs mitnehmen, so verlockend es auch ist.
Was man auf den Bildern hauptsächlich sieht, sind wahrscheinlich Korallenfossilien aus dem Devon von Spitzbergen, eine Mischung aus Rugosa (Tetrakorallen) und Tabulata (z. B. Favosites). Diese Versteinerungen sind sozusagen Zeitkapseln die von einer deutlich wärmeren Zeit erzählen, als Spitzbergen noch von tropischen Flachmeeren bedeckt war. Wenn es so weitergeht, ist das vielleicht nicht nur die Vergangenheit der Palanderbukta, sondern auch die Zukunft. Ich hoffe aber, dass uns bis dahin noch ein bisschen Zeit bleibt. Denn ich habe mich an Spitzbergen, wie es heute ist, längst noch nicht sattgesehen!

