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Expeditionskreuzfahrt Grönland: Ein Besuch in Narsaq

Unser erster Landgang auf der Expeditionskreuzfahrt von Island nach Westgrönland war der Ort Narsaq. Geplant war eigentlich Qaqortoq, doch dieses Jahr gibt es an der Südspitze Grönlands ungewöhnlich viel Eis und der Fjord, in den wir hätten fahren müssen, ist für die Sea Spirit nicht passierbar. Das gehört übrigens zu einer Expeditionskreuzfahrt dazu: Alle Pläne sind genau das, nämlich Pläne. Ob sie Realität werden, hängt jederzeit von Wetter- und Eisverhältnissen ab.

Sich darüber zu grämen, wenn eine Programmänderung stattfindet macht also gar keinen Sinn. Natürlich ist es schade, wenn man sich auf einen bestimmten Punkt gefreut hatte. Aber eine solche Reise ist eben auch ein kleines Abenteuer, dass uns zeigt, das wir nicht alles bestimmen und vorplanen können. Und da heißt es flexibel bleiben und sich über das freuen, was möglich ist. In diesem Fall: Narsaq!

Und möglich gemacht wird viel, wenn man mit Poseidon Expeditions unterwegs ist. Wie im letzten Post beschrieben, sind mein Freund und ich dem Kajak-Club beigetreten und konnten unsere erste Ausfahrt am Kap Farvel unternehmen. Damit wir von unserem Aufenthalt in Narsaq so viel wie möglich haben, heißt es heute: Zuerst in die Trockenanzüge, dann mit dem Zodiac an Land und ab ins Museum, da dieses recht zeitigt schließt.

Die drei Häfen von Narsaq

Wir legen im zweiten Hafen von Narsaq an. Denn obwohl der Ort mit seinen etwa 1.300 Einwohnern recht überschaubar ist, hat er drei Häfen. Oder zumindest Buchten, die als solche fungieren. Im ersten, dem kommerziellen Hafen, liegt unser Schiff vor Anker. Bei dem zweiten handelt es sich um einen für die kleineren Privatboote der Einwohne rund Besucher. Der dritte Hafen ist der Jagdhafen. Hier werden Jagd- und Fischbeute an Land gebracht.

Wir begeben uns aber zunächst in den zweiten, den hier können wir mit unserem Schlauchboot problemlos und trocken landen und stehen dann quasi direkt vor dem kleinen Museum von Narsaq. Als wir aus dem Zodiac klettern muss ich kurz innehalten, denn es ist das erste Mal seit sechs Jahren, dass ich wieder grönländischen Boden betrete. Wie lange habe ich auf diesen Moment gehofft und gewartet. Für meinen Freund ist es sogar das allererste Mal überhaupt. Nun gut, so richtig passend gekleidet sind wir in unser Kajak-Montur für diesen Moment nicht. Oder für einen Museumsbesuch.

Im Museum von Narsaq

Traditionelle grönländische Kleidung: Spitzenstiefel und Perlenkragen

Wir dürfen aber trotz wippender Spritzschutze und Neoprenstiefelchen das lang gezogene Gebäude betreten. Hier gibt es grönländische Kleidung zu sehen, vom traditionellen Anorak aus Seehundfell bis zur festlichen Tracht. Diese besteht bei den Frauen aus den hohen weißen Stiefeln, den Kamiks. Diese sind oft mit weißer Häkelspitze und einer gestickten Blumenborte verziert, die in Handarbeit gefertigt wird. Gleiches gilt für die aufwendig gestalteten und gemusterten Perlenkragen.

Der Kragen wird über einem farbigen Hemd getragen. Junge Mädchen tragen bis zu ihrer Hochzeit rote Hemden, dann wechseln sie zu blau. Direkt nach der Hochzeit handelt es sich um einen ganz hellen Farbton, der aber mit Ablauf der Jahre immer dunkler wird und so den Ehestand anzeigt. Im Museum kann man ein sehr schönes Exemplar in einem dunklen Petrol bewundern.

Wie gerne hätte ich auch eine solche Tracht, die zu Feierlichkeiten getragen wird. Aber mir ist auch klar, dass kulturelle Aneignung ein Problem ist und die Grönländer wahrscheinlich wenig erbaut wären, würde ich mir ein solches Outfit zulegen. Schön ist es aber trotzdem. Sehr sogar!

Grönländischer Hochzeitsbrauch: Kaffee für alle

Im Hinblick auf gewisse bevorstehende Ereignisse frage ich unseren Guide, ob es bestimmte Bräuche zu Hochzeitsfeierlichkeiten in Narsaq oder überhaupt in Grönland gibt. Ja, die sogenannte Kaffeemik! Dabei handelt es sich um ein ganztägiges Kaffeetrinken, zu dem das Brautpaar alle Freunde, Bekannte und Einwohner des Orts und vielleicht sogar des Nachbarorts einlädt. Jeder kann zu jeder Zeit vorbeikommen und sich eine Tasse Kaffee und etwas Gebäck reichen lassen. Dabei geht es weniger um die Speisen, als um den Austausch, die Gespräche, vielleicht sogar das Kennenlernen.

Jagd aus dem Kajak: Jagdtechnik der Inuit

Im oberen Teil des Museums finden sich Kajaks und Jagdausrüstung. Wie in meinem Beitrag über das Kajak fahren schon erzählt, ist dieses Boot eine Erfindung der Inuit, die hauptsächlich zur Jagd diente. Um Robben zu erlegen wurden Harpunen verwendet.

Diese werden mit Hilfe einer Schleuder geworfen und der Widerhaken des Speerkopfs bohrt sich in das Tier. Der Kopf selbst löst sich aus dem Speer, welcher dann sofort wieder mit einer Leine eingeholt wird. Schließlich war und ist Holz in Grönland ein sehr seltenes Gut, das nicht verschwendet werden darf. Meist handelt es sich bei Holz um Treibholz, das aus Sibirien stammt und an den grönländischen Küsten angespült wird.

Die Speerspitze selbst bleibt im Tier stecken und ist über ein aus Sehnen gefertigtes Band mit einem mit Luft gefüllten Magensack verbunden. Dieser fungiert als eine Art Boje. Die Robbe ist nun verletzt, aber noch nicht tot und mit der Boje wird sie gleichzeitig markiert und an der Flucht gehindert. Da Robben scharfe Krallen besitzen, darf der Jäger dem Tier zunächst nicht zu nahe kommen. Es könnte sonst das Kajak zerstören. Erst wenn die Robbe geschwächt und entkräftet ist, paddelt der Jäger heran und tötet sie mit einem speziellen Messer.

Als überzeugte Vegetarierin kommt mir das natürlich sehr brutal und qualvoll vor. Aber auf meinen vielen Reisen habe ich auch gelernt, dass das eine sehr westeuropäisch sozialisierte Sichtweise ist, die einen nicht daran hindern sollte, spannende Aspekte fremder Kulturen kennenzulernen.

Narsaqs Rentierstein: Der sagenumwobene Tugtupik

In einem weitern Raum kann des Museums werden Geologen vor Freude Luftsprünge machen, denn hier finden sich allerlei steinige Exponate. Eines davon ist rosa, an manchen Stellen sogar pink: Der Tugtupik! Er kommt nur an ganz wenigen Orten auf der Erde vor und einer davon ist Narsaq.

Er ist auch als Rentierstein bekannt, denn der Legende nach findet man ihn dort, wo die Rentiere ihre Kälber zur Welt bringen. Bei der Geburt sprenkelt ihr Blut den Boden und färbt so den Stein.

Grashaus statt Iglu: Ein grönländisches Winterhaus

Elo, unsere Kajak-Lehrerin und Fachfrau zu Grönland, zeigt uns ein grönländisches Winterhaus, erbaut aus Gras und Steinen. Es hat nur einen Raum, der mehreren Familien als Zuhause diente. Dominiert wird der Raum von einer großen Plattform, die zugleich Bettstatt und Aufenthaltsort war. Da es hier kaum Brennmaterial gibt, wurde wenig gekocht, die meisten Mahlzeiten wurden roh verzehrt. So kam es übrigens auch zu der abfälligen Bezeichnung Eskimo, die übersetzt Rohfleischfresser bedeutet. Heute spricht man von Grönländern oder Inuit.

Licht und Wärme spendete also kein Feuer, sondern Specksteinlampen, in denen Wal- oder Robbenfett verbrannt wurden. Um nicht zu frieren und sich körperlich fit zu halten, entwickelten die Inuit Spiele, die auch auf kleinstem Raum gespielt werden konnten und die Geschicklichkeit, Balance und Kraft trainierten.

Narsaq vom Wasser aus

Jetzt haben wir jede Menge über die Menschen und das Leben hier gelernt und als Historikerin besuche ich sehr gern Museen. Was mir aber als Abenteurerin noch lieber ist: Alles mit eigenen Augen entdecken! Gut, dass es für und nun in den dritten Hafen geht, wo wir in unsere Kajaks klettern und beginnen zu paddeln.

Als erstes können wir uns vom Zweck dieser Bucht selbst überzeugen, den auf den Wellen treibt das Fell einer Robbe. Ihre Überreste sind auf den steinigen Grund des Hafenbeckens gesunken. Schade, dass man nicht alles vom Tier verwertet hat, denke ich. Denn so kenne ich es eigentlich aus dem Norden, wo Rohstoffe und Ressourcen knapp sind. Daher werden sie hier in der Regel nicht verschwendet .

Hier im Hafen ist das Wasser klar und ruhig, doch in der nächsten Bucht erwarten uns etwas mehr Wellengang und wunderschöne Eisberge. Wir kreisen um das Eis, betrachten es von all seinen Seiten und in all seinen Facetten. Eisberge üben eine kaum beschreibbare Faszination aus. Man kann sie stundenlang anschauen, ohne sich zu langweilen.

Narsaq zu Fuß

Soviel Zeit haben wir aber nicht, denn wir wollen uns Narsaq ja nicht nur anschauen, sondern es auch erkunden. Also, flugs zurück zur Sea Spirit, raus aus den Trockenanzügen und hinein in normale Kleidung und dann mit Zodiacs zurück in den Ort!

Vom Hafen aus laufen wir rechts den Hügel hinauf, mitten zwischen die bunten Häuser. Ich liebe die Farben Narsaqs, hier gibt es Gebäude in blau, pink und türkis. Wir begegnen dem ersten und einzigen Eisbären unserer Reise. Zumindest dem, was einem Eisbären optisch am nächsten kommt: Ein extrem wuschelfelliger weißer Hund, der sich alle Mühe gibt, uns von seiner hölzernen Veranda aus zu verbellen.

Von einigen Silos aus haben wir einen guten Blick auf die Stadt und die Bucht, in der die Sea Spirit ankert. Über eine grasige Senke geht es weiter in den nächsten Teil Narsaqs. Vorbei am Friedhof mit den vielen einheitlichen, weißen Kreuzen und einigen Plastikblumen und der hübschen Kirche. Den Berg hinauf findet sich zuerst eine Art Minisupermarkt oder Kiosk und dann das Ulu Net Café.

Lokale grönländische Biere aus der Qajaq-Brauerei

Begeistert nutzt mein Freund die Gelegenheit, sich mit der lokalen Braukunst bekannt zu machen. Denn in dem Café gibt es neben diversen Speisen auch die Biere der ortsansässigen Qajaq-Brauerei zu kaufen. Drei Flaschen wandern über die Theke, jedes mit einem liebevoll gestalteten Etikett. Es gibt die Sorten Umimmak (Moschusochse), Ukaleq (Schneehase) und Aqisseq (Alpenschneehuhn). Bei dem ersten handelt es sich um ein dunkles Lager, bei dem zweiten um ein Maibock Lager und bei dem dritten tatsächlich um ein Ale mit der Bezeichnung Kölsch.

Wir müssen lachen, hier, am Ende der Welt treffen wir auf unsere Heimat Köln. Die Qajaq-Brauerei verwendet zur Herstellung Gletscherwasser, das Bier wird hier in Narsaq gebraut und abgefüllt. Mein Freund kürt übrigens Umimmak zum geschmacklichen Sieger. Im Ulu Café dürfen wir dann sogar noch mit einem Pin auf einer riesigen Weltkarte markieren, wo wir herkommen. Und obwohl wir gerade in der Nähe von Marburg wohnen, nehmen wir natürlich Köln.

Anekdote: Die verrückten deutschen Alkoholiker

Hier möchte ich noch eine kleine Anekdote erzählen. Da die Etiketten der Biere so hübsch sind, möchte ich diese gern in mein Reisetagebuch kleben. Also packen wir die leeren Flaschen in unseren Rucksack und nehmen sie mit zurück an Bord. Aber wie bekomme ich sie nun ab? Unser Waschbecken ist zu flach, also schnappe ich mir den Mülleimer, fülle ihn mit Wasser und versenke die Flaschen darin, damit die Etiketten sich lösen.

Ich komme mir noch sehr schlau vor, denn ich mache das Ganze nach dem Frühstück, als unser Kabinensteward Emery schon mit unserem Zimmer durch ist. Jetzt habe ich bis zum Abendessen Zeit, bis er wiederkommt um unser Bett aufzudecken. Bis dahin kann ich ja alles locker wieder wegräumen. Denkste. Denn als ich nachmittags kurz in unsere Kabine muss, finde ich dort Emery, der gerade eine neue Mülltüte in den Mülleimer spannt.

Peinlich! Ich versuche stotternd zu erklären, was ich vorhatte, doch er schüttelt nur lächelnd den Kopf und versichert mir, dass alles gut sei, er sich um alles gekümmert habe und nun alles wieder seine Ordnung habe. Ich glaube, er hält uns für verkappte, heimlich trinkende Alkoholiker, die auf krude Art und Weise versucht haben, die Beweise loszuwerden. Sei’s drum, Etiketten und Flaschen sind jetzt jeden falls weg und ich schwöre mir, dem armen Mann ein ordentliches Trinkgeld zu hinterlassen.

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