Spitzbergen-Umrundung: Möllerhamna und Lloyds Hotel

Wir setzen unsere Fahrt in nordöstlicher Richtung fort bis wir schließlich Möllerhamna erreichen, den innersten Abschnitt des Möllerfjords. Wer hier anlandet, mag sich fragen, wer dem stillen Ort diesen Namen gegeben hat. Tatsächlich erinnert er an den schwedischen Astronomen Didrik Magnus Axel Möller (1830–1896), einen der bedeutendsten Himmelsforscher seiner Zeit. Möller wirkte als Professor und Rektor an der Universität Lund und wurde international für seine präzisen Berechnungen der Bahn von Fayes Komet – später auch „Faye-Möllers Komet“ genannt – ausgezeichnet. Soweit ich herausfinden konnte, war der gute Mann selbst aber gar nicht da. Ganz im Gegensatz zu – mir!

Anlandung und Aussicht

Wie gewohnt sichern unsere Eisbärenwächter das Gelände, während die Crew die Anlandung vorbereitet. Diesmal heißt es wieder: Gummistiefel an! Denn anders als in Ny-Ålesund gibt es hier an der Landestelle Regnardneset keinen Steg – der Weg an Land führt wie meist auf Spitzbergen direkt durchs flache Wasser.

Das Panorama ist atemberaubend: Steile Berghänge erheben sich jenseits des Fjords, flankiert von den mächtigen Gletschern Mayerbreen und Kollerbreen, deren eisige Zungen sich durchs Land winden. Ersterer ist benannt nach Louis Benoit Joseph Mayer, geb. 1867, dem Privatberater von Prinz Albert I. von Monaco, dem wir ja schon am 14.-Juli-Gletscher begegnet sind.

Dem Prinz verdankt auch der Kollerbreen zumindest indirekt seinen Namen. Benannt wurde er nach dem norwegischen Bauingenieur und Topografen Alfred Koller (1878–1951), der zwischen 1906 und 1932 an zahlreichen norwegischen Expeditionen nach Spitzbergen teilnahm. Unter anderem war er Teil einer Expedition von 1906, die von Fürst Albert I. von Monaco ausgerüstet wurde. In den Jahren 1909–10 nahm er an der Expedition von Gunnar Isachsen teil.

So, historische Namensgebung abgearbeitet, kommen wir zu dem, was diese Landestelle zu außergewöhnlich macht! Lange suchen müssen wir nicht, denn das Objekt der Begierde fällt einem direkt ins Auge, wenn man an Land kommt. So leicht machen es die Sehenswürdigkeiten Spitzbergens es den Besucher:innen selten.

Orangenes Highlight: Lloyds Hotel

Die Rede ist von: Lloyds Hotel! Zwischen all dieser wilden Arktisszenerie leuchtet nämlich ein kleines, orangefarbenes Häuschen. Schon vom Schiff aus gut sichtbar, sorgt es für heitere Gespräche an Deck: Eine Übernachtung für alle Gäste? Gerne – doch mit nur wenigen Quadratmetern Wohnfläche müssten wir uns die Betten wohl im Zwei-Minuten-Takt teilen. Schließlich haben wir knapp 200 Passagier:innen an Bord.

Dank unseres Schiffszimmermanns Georg Reinemann erstrahlt das Häuschen gerade in frischer Farbe – und ist damit mindestens so fotogen wie die arktische Flora, die rund um Möllerhamna gerade in voller Blüte steht. Stängelloses Leimkraut, Silberwurz, Polarweide und sogar der zarte Polarmohn zeigen sich von ihrer schönsten Seite – ein echtes Geschenk dieser kurzen arktischen Sommerwochen.

Wann genau das kleine Lloyds Hotel in Möllerhamna errichtet wurde, verliert sich im Dunst der Geschichte. Sicher ist nur: 1928 stand es bereits. Manche Hinweise deuten sogar darauf hin, dass die Hütte schon 1912 oder 1914 gebaut wurde – in einer Zeit, als der frühe Arktistourismus gerade Fahrt aufnahm. Reedereien wie der Norddeutsche Lloyd, der später mit der HAPAG fusionierte, begannen damals, den hohen Norden als Reiseziel zu entdecken. Entsprechend diente das einfache, aber markante Gebäude möglicherweise als Schutz- oder Versorgungshütte für Passagiere und Expeditionspersonal.

Die Spuren, die seither hinterlassen wurden, erzählen ihre ganz eigene Geschichte: Die Innenwände sind überzogen mit farbenfrohen Schildern, Schiffsplaketten und Kritzeleien – Erinnerungen an unzählige Besatzungen und Gäste, die hier im Laufe der Jahrzehnte Station gemacht haben. Dabei hat man auch immer für das leibliche Wohl gesorgt, zumindest, was Flüssignahrung anging. Mittlerweile hat sich hier ein ganz ansehnlicher Vorrat an geistigen Getränken angesammelt.

Wilde Zeiten

Man munkelt, früher seien hier in der Bucht sogar wilde Partys gefeiert worden, mit unzähligen Lagerfeuern und sogar einer an Land geschipperten Musikkapelle. Heute beschränkt sich alles Feucht-Fröhliche für uns auf Tim, unseren Hotelmanager, und Robin, unseren Maître d’Hôtel, die uns mit heißer Schokolade – auf Wunsch mit einem Schuss Rum oder Amaretto – den Nachmittag versüßen. So gestärkt lässt sich der Ausblick doppelt genießen.

Tierische Anwohner

In der Bucht wartet schließlich ein tierisches Highlight: Diverse Seehunde haben es sich auf flachen Felsen bequem gemacht und beäugen uns neugierig von ihren Beobachtungsposten – eine beeindruckende Leistung, wenn man ihre Körperfülle und die wackelige Liegefläche bedenkt. Die Walrosse in der Bucht hingegen sind vorsichtiger: Immer wieder tauchen Köpfe im Wasser auf, große, neugierige Augen mustern uns aus sicherer Entfernung.

Hach, mich juckt es ja in den Fingern, einfach hier zu bleiben. Lloyds Hotel ist doch deutlich komfortabler als die meisten Hütten, die man hier so auf Spitzbergen findet. Und mit einem guten Buch zwischen Seehunden und Walrossen würde ich mich schon ganz wohl fühlen.

Leider bin ich mit meiner orangefarbenen Jacke in etwa so unauffällig wie die Hütte und man würde wohl bemerken, wenn ein Guide fehlt. Davon abgesehen ist mit solchen Dummheiten im Eisbärenland auch nicht zu scherzen. Schade. Ist nämlich verdammt schön hier!

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