Polarfuchs

Spitzbergen-Umrundung: Smeerenburg, die Transtadt

Als mein Wecker um 5:00 Uhr klingelt, ich mich aus dem Bett wälze, verschlafen in meine Gummistiefel steige und müde mit Rucksack und Funkgerät im Schlepp Richtung Sidegate watschel, da wird mir eins sehr bewusst. Expeditionskreuzfahrt ist ja schon irgendwie ein Paradoxon an sich, oder? Mit Expeditionen verbindet man Abenteuer und Entbehrungen, mit Kreuzfahrten Luxus und Bespaßung. Tja, die Expeditionskreuzfahrt liegt eben irgendwo dazwischen.

Am Abend vorher habe ich noch lange gearbeitet und so brauche ich tatsächlich die arktische Brise, die jetzt durch das geöffnete Tor in der Seite des Schiffes hereinweht, um einigermaßen klar im Kopf zu werden. Ich hoffe, dass die Landestelle heute so aufregend ist, dass sie auch den letzten Rest Müdigkeit vertreibt. Die Chancen dafür stehen gut, zumindest für mich. Denn unser heutiger Landeplatz ist Zeugnis bedeutender historischer Ereignisse, zumindest für Spitzbergen-Maßstäbe.

Historische Bedeutung von Smeerenburg

Smeerenburg war im 17. Jahrhundert eine bedeutende niederländische Walfangstation auf der Insel Amsterdamøya im Nordwesten von Spitzbergen. Der Name bedeutet so viel wie “Transtadt” oder “Fettburg” und leitet sich vom Waltran ab, der hier ausgekocht wurde. Die flache Küste war auch im 17. Jahrhundert nämlich von großer Bedeutung für die Walfänger. Es gab noch keine großen, dampfbetriebenen Fangschiffe an deren Bord man die Wale hätte zerlegen können. Und so mussten die toten Tiere an Land gebracht werden, wo die Walfänger mit langen Flensmessern den Blubber auslösten und ihn in großen Kesseln zu Öl raffinierten.

Die Station wurde erstmals 1614 von niederländischen Walfängern genutzt, und 1619 wurden die ersten festen Gebäude errichtet. In den 1630er Jahren bestand Smeerenburg aus etwa 17 Gebäuden und acht Tranöfen, der Ort war allerdings nicht dauerhaft bewohnt. Im Sommer lebten und arbeiteten hier bis zu 200 Menschen. Im Winter wurde die Station sich selbst überlassen. Zu Überwinterungen kam es nur, als die Holländer nach Plünderungen entschieden, eine kleine Wachmannschaft von sieben Männern in Smeerenburg zu lassen. Der erste Versuch im Jahr 1633/34 glückte, die zweite Mannschaft überlebte den Winter 1634/35 jedoch nicht, und weitere Versuche wurden nicht unternommen.

Die Station wurde bereits um 1660 aufgegeben, als die Walbestände in der Region zurückgingen. Heute sind nur noch die Grundmauern der Gebäude und einige Gräber erhalten. Und die Ringe im Sand, eine Art “Beton” der sich gebildet hat, wo die riesigen Trankessel übergekocht sind und sich das heiße Fett mit dem Sand vermischt hat.

Begegnung mit dem Polarfuchs

Soweit, so spannend, doch noch bevor ich mich überhaupt richtig orientiert habe, zieht eine rasche Bewegung meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Zwischen den Kesselringen huscht etwas umher. Es bleibt stehen und schaut mich an. Ein Polarfuchs. Ganz nah. Er lässt sich von dem erstarrten Expeditionsteam nicht stören, schnüffelt hier, schnüffelt da und beschnuppert auch neugierig die Kamera unseres Expeditionsfotografen Björn.

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Der Fuchs trägt schon fast sein Sommerkleid, befindet sich aber noch im Fellwechsel, so dass auf dem Rücken bereits brauner Pelz, am Bauch aber noch weißer Pelz vorhanden ist. Und er hat jede Menge Freude daran, durch die Überreste der Walfangstation zu tollen. Alle Müdigkeit ist wie weggeblasen. Die Sonne scheint auf diese pittoreske Szene, lässt die Haarspitzen des Fells aufleuchten, während sie sich sacht im Wind bewegen.

Wieder einmal habe ich einen Kloß im Hals. Solche Momente würde ich am liebsten in ein Marmeladenglas packen um sie immer wieder zu erleben. Wobei…eigentlich ist Rosasreisen.de ja genau das.

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Irgendwann ist der Bann gebrochen, denn nachdem alle Expert:innen und Eisbärenwächter:innen auf Position sind, beginnt die Anlandung der Gäste und das ist dem kleinen Kerl dann doch zu viel Trubel. In großen Sätzen springt er fröhlich über den Sand davon, nimmt sich hier und da nochmal Zeit um Baumstämme zu erkunden und Vögel zu erschrecken. Als er langsam verschwindet, wird mir noch einmal klar, was für ein unglaubliches Privileg es ist, hier zu sein, als Erste an Land gehen zu können, solche Momente erleben zu dürfen.

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Geologische Besonderheiten

Zum ersten Mal nehme ich mir Zeit, den Blick über die Landzunge schweifen zu lassen. Wir stehen auf einer weiten, ebenen Fläche, die geologisch ein spannendes Kapitel erzählt. Sie entstand aus dem sandig verwitternden Gneis, der den Kern der Insel bildet, und den konstanten Strömungen des Meeres. Seit dem Holozän, also nach dem letzten Eismaximum vor rund 10.000 Jahren, formten diese Kräfte die charakteristische Sandebene, auf der wir uns befinden. (Danke an Ole, den Geologen! Ich versuche es mir zu merken, versprochen.)

Tierwelt in Smeerenburg

Nicht nur wir Menschen genießen hier in Smeerenburg den angenehmen Sonnenschein – auch Walrosse lieben die Transtadt. An der Spitze der Insel döst eine Gruppe männlicher Tiere, die hier im Westen des Archipels heimisch sind. Bis ins 20. Jahrhundert wurden Walrosse stark bejagt und die Population auf Svalbard auf nur noch wenige Tiere reduziert. Heute erholt sie sich wieder, unterstützt durch Zuwanderung von Franz-Josef-Land. Interessant: Während die Weibchen mit ihren Kälbern vorsichtiger bleiben, erkunden die Männchen mutig ihr Revier. So hat sich im Archipel eine räumliche Trennung entwickelt. Weibliche Tiere bevorzugen den Osten des Archipels, die Männchen sind bereits in den Westen und nach Smeerenburg vorgsestoßen.

Ich fasse also kurz zusammen: Auf der Contra-Seite ein vergleichsweise früh klingelnder Wecker und kein Frühstück. Auf der Pro-Seite Walfanggeschichte zum hautnah Erleben, ein zutraulicher, frecher Polarfuchs, die Steinsache und Walrosse. Also, ich denke die Anlandung in Smeerenburg kann als voller Erfolg gewertet werden!

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