Spitzbergen-Umrundung: Mushamna Fangstasjon

Mushamna, der Mäusehafen. Klingt ein bisschen seltsam, oder? Wer jetzt hier eine Minimäusestadt mit kleinen Segelbooten und geschäftig umherwuselnden Nagetiere á la Feivel oder Brombeerhag erwartet, der wird auch bitterlich enttäuscht. Ich hab nämlich keine einzige Maus gesehen, als wir da waren. Dafür gibt es jede Menge anderes zu entdecken. Unter anderem die Hütte, in der ich gerne mal ein Jahr wohnen würde! Also vielleicht. Wenn ich Internet hätte. Und mich ab und an jemand besuchen käme…

Mushamna ist eine Bucht auf der Ostseite des Woodfjord an der Nordküste Spitzbergens. Die eigentliche Bucht ist eine Lagune, die von einem langen, schmalen Strandwall beinahe vollständig vom Fjord abgeschnitten ist. Der Zugang ist schmal, aber tief, so dass kleinere Schiffe einfahren und dort gut geschützt ankern können.

Die außergewöhnliche Trapperhütte von Kjell Reidar Hovelsrud

Etwas nördlich der Bucht liegt etwas, was in dieser einsamen Landschaft beinahe wie eine kleine Siedlung anmutet. Am auffälligsten ist die große Trapperhütte in solider Blockhüttenbauweise, was auf Spitzbergen ziemlich ungewöhnlich ist, wo die meisten der Hütten als recht einfache und wenig robuste Bretterbuden gebaut wurden. Diese Hütte wurde 1987 von dem norwegischen Musher, Überwinterer und Jäger Kjell Reidar Hovelsrud errichtet, der über seine Abenteuer in dem Buch Svalbard: Et eventyrlig polarliv geschrieben hat.

Leben und Arbeiten in der Mushamna Fangstasjon

1994 gab er sie auf und verkaufte sie drei Jahre später an den Sysselmester, in dessen Besitz sie sich immer noch befindet. Die Hütte gehört nun also der Regierung. Und die eröffnet alle ein bis zwei Jahre ein Verfahren, in dem man sich auf einen Aufenthalt in der Mushamna Fangstasjon bewerben kann. Wer den Zuschlag bekommt (meist Einzelpersonen oder Paare), erhält eine Jagdkonzession und darf dann hier in der Region Füchse, Schneehühner, Rentiere sowie Robben erlegen. Dabei wird allerdings streng kontrolliert und es gibt Abschussquoten, die sich an den aktuellen Beständen der Tiere orientieren.

Der aktuellen Bewohner:innen der Hütte sind heute nicht zu Hause und so haben wir leider keine Möglichkeit uns die Hütte von innen anzusehen oder mit der Besatzung zu sprechen. Für Besucher:innen wie uns gilt übrigens: Bevor man Mushamna besucht meldet man sich per Funk und fragt, ob ein Besuch in Ordnung wäre. Wenn die Bewohner:innen ablehnen wird natürlich nicht angelandet. Und wenn keiner zu Hause ist, wird die Hütte natürlich weder betreten, noch durch die Fenster gespinkst.

Oft sind es nicht nur Jäger:innen, die hierherkommen, sondern auch Studierende und Forschende, die hier ihr Basislager errichten um Daten zu sammeln und zu arbeiten. Die Wohnerlaubnis gilt für ein Jahr und kann, wenn alles passt, auf zwei Jahre verlängert werden. Wer den Zuschlag erhält, muss keine Miete oder ähnliches für die Hütte zahlen, lebt aber hier als Selbstversorger:in.

Komfort im arktischen Stil

Neben der Haupthütte finden sich noch weitere kleine Häuschen, eins davon ist das WC, das andere die Sauna. Man kann also sagen, dass hier für Spitzbergen-Verhältnisse und Hütten betreffend ein wirklich gehobener Standard herrscht. Zudem gibt es noch eine Art Hochsitz oder Gestell, auf dem Vorräte sicher außerhalb der Reichweite von Eisbären gelagert werden können. Die roten Benzinfässer auf dem Gelände gehören dem Sysselmester. Es gibt mehrere solcher Lager auf dem Archipel, sodass an vielen Stellen der Hubschrauber betankt werden kann, sollte das nötig werden.

Der Traum vom Jahr in der Wildnis

Die Hütte könnte bestimmt jede Menge Geschichten von harten Wintern, einsamen Jagden und einem Leben im Rhythmus der Natur erzählen. Und wie auch schon bei Lloyds Hotel überkommt mich die etwas größenwahnsinnige Sehnsucht hier zu bleiben.

Seien wir realistisch: Eigentlich bin ich dafür nicht geeignet. Ich brauche Kontakt zu Menschen, die Möglichkeit meine Ideen und Kreativität in Projekten auszuleben (basteln, nähen, sticken, heimwerken usw.) und ohne stabiles Internet und den kontinuierlichen Zugang zu Süßigkeiten würde ich wahrscheinlich nach einer Woche die Krise kriegen. Wobei ich gar nicht mal ausschließen will, das Internet hier vorhanden ist. Andererseits, den nächtlichen Klogang könnte ich mir im Winter vielleicht abtrainieren, denn nach ein paar Minuten in Schnee und Eis ist man bestimmt so wach, das Einschlafen unmöglich ist. Aber alles in allem wäre ich wahrscheinlich doch zu fimschig. Und erschießen möchte ich sowieso gar nichts.

Es ist erlaubt Hunde mitzubringen, wenn man sich hier einquartiert, was das Ganz für mich noch interessanter macht. Davon zeugen auch diverse Schlitten in mehr oder minder fahrbereitem Zustand, die um die Mushamna Fangstajon herumstehen. Dabei ist ein Grönlandschlitten mit kurzen Kufen, aber auch ein Toboggan-Modell mit langen. Ein Hundeteam wäre hier auch insofern praktisch, als dass dieses, sofern die Tiere richtig trainiert sind, anschlagen, wenn sich ein Eisbär in der Nähe aufhält. Dann sollte man nämlich nicht unbedingt rausgehen. Und man wäre mit Hunden auch gar nicht so einsam. Die Vorstellung, hier im Winter mit einem eigenen Team die Landschaft zu erkunden…

Mmmh, nun ja, man wird ja noch träumen dürfen.

Karren, Grönlandschlitten und Vorratsplattform

Hilmar Nøis, die Trapperlegende von Spitzbergen

Das letzte Gebäude in dem Areal ist ein kleines, leicht windschiefes Hüttchen, das seine lange Geschichte nicht verleugnen kann. Errichtet wurde es 1927 von Hilmar Nøis, einer der großen Trapperlegenden Spitzbergens. Seine Hütte bei Mushamna nannte er Svendsen Bay.

Geboren 1891 auf Andøya, zog es Nøis schon mit 18 zum ersten Mal nach Svalbard. Zwischen 1909 und 1963 sollte er ganze 35 Mal dort überwintern. Sein mehr oder weniger dauerhaftes Zuhause fand er in Sassen, wo er das „Slottet“ errichtete, später bekannt als „Villa Fredheim“ – ein stabiles, warmes Zuhause inmitten der klirrenden Kälte, in dem insgesamt 19 Winter verbrachte.

Svendsen Bay

Ein Netz aus Hütten

Nøis hinterließ aber Spuren auf der ganzen Inselgruppe. Er baute und hielt rund 40 Hütten instand und nutzte etwa 20 weitere als Ausweichmöglichkeiten. Sein Netz an Stationen reichte von Roosneset bis Gråhuken, von Krosspynten bis Dunerbukta. Doch er war nicht nur ein Baumeister, sondern auch ein unermüdlicher Jäger: hunderte erlegte Eisbären und wohl tausende Rentiere gehen auf sein Konto.

Während des Zweiten Weltkriegs diente er als Quartiermeister in England, kehrte aber bald zurück, um seine Hütten wieder auf Vordermann zu bringen und das Leben im Eis fortzuführen. 1957 erhielt er schließlich die Königliche Verdienstmedaille als wohlverdiente Ehrung für ein Leben voller Abenteuer.

Hilmar Nøis

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