Spitzbergen-Umrundung: Torellneset

Torellneset, das klingt ein bisschen wie Trollnase. Aber statt Trollen kann man hier, an dieser vorgereckten Landzunge, ganz anderen Kolossen begegnen: Walrossen! Dutzende der imposanten Meeressäuger versammeln sich regelmäßig am Kiesstrand, um zu ruhen, zu dösen und sich in der Mitternachtssonne die Bäuche wärmen zu lassen.

Der Name Torellneset geht auf den schwedischen Geologen Otto Martin Torell zurück. Dieser reiste 1858 erstmals mit Adolf Erik Nordenskiöld und August Quennerstedt nach Spitzbergen, 1859 folgte eine Expedition nach Grönland. Mit weiteren Reisen 1864 und 1868 leitete er den Beginn der schwedischen Polarforschung ein und 1861 stand er der ersten großen Svalbard-Expedition vor.

Otto Martin Torell

Geografisch markiert Torellneset den südwestlichen Punkt des Gebiets Gustav Adolf Land und liegt südlich des mächtigen Vegafonna-Gletschers. Direkt vor der Küste befindet sich die kleine Insel Perthesøya, während sich hinter dem Kap die karge Tundra und die sogenannten „raised beaches“ – ehemalige Küstenlinien, die sich durch Landhebung aus dem Meer erhoben haben – erstrecken.

Regeln für respektvolle Tierbeobachtung

So ein Sommer auf Spitzbergen ist nun eher eine kühle Angelegenheit, auch wenn es durchaus Bademöglichkeiten wie am 14. Juli-Gletscher gibt. Heute aber strahlt die Sonne vom blauen Himmel und wärmt nicht nur die Walrosse, sondern sorgt sogar dafür, dass die Luft flimmert. Die Zodiacs bringen uns zur Landestelle. Ab jetzt müssen wir ganz leise sein, denn wir wollen die gewichtigen Bewohner der Arktis auf keinen Fall erschrecken.

Grundsätzlich dürfen wir auf Spitzbergen nie mehr als 100 Leute gleichzeitig an Land haben, abgesehen von Orten wie Longyearbyen oder Ny-Ålesund. Und auch die wollen wir natürlich nicht alle gleichzeitig zu der Walrosskolonie schicken. Denn so fasziniert und begeistert wir sind, es gilt immer die Tiere zu respektieren und zu schützen. Das bedeutet: Leise Annäherung aus nur einer Richtung, Fragen nur im Flüsterton, am besten hinknien oder hinsetzen und auf keinen Fall näher als 30 Meter herangehen.

Vogelwelt und Flora der Landzunge

So teilen wir die ankommenden Passagier:innen in Gruppen und schicken sie staffelweise zu den Tieren, während die anderen die Landzunge erkunden können. Auch wenn die Walrosse natürlich das absolute Highlight sind, gibt es hier noch mehr zu entdecken. Zum Beispiel die brütende Schmarotzerraubmöwe, deren Partner an der Küste unterwegs ist und versucht, anderen Vögeln ihre Beute streitig zu machen. Denn, wie der Name schon vermuten lässt, jagt die Schmarotzerraubmöwe nicht selbst, sondern überfällt andere Vögel und nimmt ihnen das Futter weg.

Am Wasser ist außerdem eine Skua (Riesenraubmöwe) unterwegs und macht Jagd auf die Küstenseeschwalben. Vogel sein ist also nicht so einfach bei Torellneset. Zumindest, wenn man etwas kleiner und nicht so wehrhaft ist. Obwohl die Vegetation recht karg ist, finden sich auch immer wieder Steinbrech, Felsenblümchen und Senfgelber Hahnenfuß. Wenn man seine kleine Runde beendet hat, ist es aber auch endlich Zeit, zu den Walrossen zu schleichen. Vorsichtig setzen wir die Füße auf den Kies, um so wenig Geräusche wie möglich zu machen.

Die Walrosse von Torellneset

Der ein oder die andere mag sich fragen, ob das wirklich nötig ist, aber Vorsicht ist die Mutter der Walrosskiste. Die Tiere wirken auf den ersten Blick schwerfällig, beinahe träge. Doch bei Gefahr können sie schnell in Panik geraten und das wollen wir natürlich vermeiden. Momentan dösen sie entspannt in der Sonne, wälzen sich langsam hin und her, heben einen Flipper oder reiben ihre dicken Körper gegeneinander. Immer wieder hören wir ein dumpfes Grunzen oder ein überraschend lautes Schnauben. Ab und an wird sich mit Hilfe der Stoßzähne vehement Platz verschafft.

Etwa 60 Tiere drängen sich eng aneinander auf dem Kies der flachen Landzunge, während einzelne im Wasser nach Nahrung tauchen. Mit ihren kräftigen Lippen saugen sie bis zu 60 Kilogramm Muschelfleisch aus den Schalen, bevor sie sich für ein ausgiebiges Verdauungsschläfchen an Land zurückziehen.

Die Farben der Walrosse

Wenn man die Walrosse im Wasser betrachtet kann man erkennen, dass ihre Haut viel dunkler ist, als die der Exemplare, die an Land in der Sonne dösen. Und genau in der Sonne liegt auch das Geheimnis. Ihre Wärme weitet die Blutgefäße und sorgt für eine bessere Durchblutung der Haut. Daher sehen Walrosse, die an Land schlummern oft sehr viel heller aus, hellbraun nämlich, oder sogar rosa. Im kalten Wasser ziehen die Gefäße sich zusammen, die Haut der Tiere erscheint dann eher dunkelbraun.

Wir sind sehr froh, dass wir die Walrosse hier beobachten können, denn noch zu Beginn des Jahrhunderts lebten nur noch etwa 100 Tiere hier. Die Jagd auf die Walrosse wegen ihres Blubbers, Elfenbeins und ihrer Haut hatte sie an den Rand der Ausrottung getrieben. Ihre widerstandsfähige Haut, die sie vor Kälte und Fressfeinden schützt, wurde damals in Streifen geschnitten und als Keilriemen für industrielle Maschinen genutzt, wodurch die Tiere im wahrsten Sinne die Industrialisierung mit antrieben.

Heute müssen die Walrosse vor diesem Schicksal glücklicherweise keine Angst mehr haben. Dafür bin ich sehr dankbar, denn auch, wenn ich diese Tiere nun schon ein paar Mal beobachten durfte, ist es jedes Mal wieder etwas ganz Besonderes.

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