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Mona van Schingen – Auf Echsensuche im Dschungel Vietnams

Ich kenne Mona van Schingen schon seit dem Kindergarten. Stundenlang haben wir in ihrem Kinderzimmer mit Gummi-Dinosauriern gespielt und ich habe ganze Nachmittage damit verbracht, von ihr Namen wie Eustreptospondylus, Pachycephalosaurus, Liopleurodon und Pterodactylus zu lernen. Nach dem Abitur hat sie sich entschieden, Biologie zu studieren und beschäftigt sich nun als Doktorandin wieder mit den schuppigen Echsen, allerdings mit lebendigen Vertretern dieser Art. Sie erforscht den Shinisaurus crocodilurus, die chinesische Krokodilschwanzechse. Und dafür nimmt sie einiges auf sich.

Doktorarbeit und Dschungelforschung

Seit knapp einem Jahr arbeitet Mona an ihrer Doktorarbeit. Wer jetzt an ein kleines Studierzimmer voller Bücher denkt, liegt falsch. 20 Wochen hat sie bereits zu Forschungszwecken im vietnamesischen Dschungel verbracht. Dort sucht sie nach den Echsen, die nur in den abgelegensten Regionen vorkommen. Ihr Weg führt sie im Dunkeln durch trübe Gewässer, umgeben von giftigen Schlangen und Spinnen. Das Wasser bewegt sich, und sie weiß nie, was sich da auf sie zuschlängelt. Manchmal verschwinden die Führer einfach in der Nacht und sie und ihre Kollegin sind auf sich allein gestellt. Das ist nicht ungefährlich, aber bis jetzt hat sie alles ohne schlimmere Verletzungen überstanden. Abschürfungen, ein Sturz in eine Schlucht, allergische Schocks und Fieber nimmt sie in Kauf. Als ich von meinem bequemen Sofa aus frage, warum, überlegt sie kurz. „Weil es sich immer lohnt. Für den Moment, in dem ich zum ersten Mal wieder eine Echse finde.“

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Natur verstehen, schützen und erhalten

Auch privat gibt es Reptilien in ihrem Leben, mittlerweile beherbergt sie zwei Kornnattern und ein paar Echsen. „Eines Tages war ich auf dem Weg zur Uni. Ich stand mit einem Terrarium voller Käfer im Aufzug und ein Typ fragte, ob ich seine Schlange haben wollte. Seine Frau hätte Angst vor ihr. Als ich gesehen habe, in was für einem verwahrlostem Zustand das Tier war, habe ich nicht gezögert. Und damit Draco nicht einsam ist, hat er seit zwei Wochen Gesellschaft von seinem Kumpel Snape.“

Tiere erforschen, verstehen und schützen, das spielt wahrscheinlich jedes Kind einmal. Aber Mona hat sich das beruflich zur Aufgabe gemacht. Nachdem sie in der Schule den Bio-Leistungskurs besucht hatte, war ihr klar, dass auch ihr weiterer Weg in diese Richtung führt. Im Rahmen eines Praktikums im Kölner Zoo entstand eine bis heute andauernde Zusammenarbeit und mit ihrer Bachelor-Arbeit der Einstieg in die Erforschung von Echsen Südostasiens. Seit über 10 Jahren bemüht sich der Kölner Zoo in Kooperation mit den Behörden und Wissenschaftlern in Vietnam die dortige Natur- und Artenvielfalt zu schützen und zu erhalten. Das war Mona van Schingen wichtig: praktisch arbeiten und aktiven Naturschutz betreiben.

Die Krokodilschwanzechse, ein lebendes Fossil

So war der Weg zur Master-Arbeit auch nicht weit. Erst vor Kurzem hatte Dr. Thomas Ziegler, der Kurator des Aquariums, die chinesische Krokodilschwanzechse in Vietnam entdeckt. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes „lebendes Fossil“, wie Mona erklärt. Das heißt, dass sich die Evolutionslinie der Echse schon sehr, sehr früh entwickelte, nämlich als der Tyrannosaurus Rex über unsere Erde stampfte. Und seitdem hat sie sich, im Gegensatz zu anderen Arten, nicht deutlich verändert. Leider droht ihr dasselbe Schicksal wie den Dinosauriern. Im Rahmen ihrer Master-Arbeit fand Mona heraus, dass es nur noch etwa 100 Exemplare in Vietnams Urwäldern gibt, die Echse also akut vom Aussterben bedroht ist. Denn: „5000 Exemplare sind das Minimum für eine stabile Population“, sagt die Doktorandin. In ihrer Doktorarbeit beschäftigt sie sich nun mit „anthropogenen Einflüssen auf tropisch-aquatische Echsenpopulationen“, also dem Einfluss des Menschen auf die Echsen.

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Auswirkungen des Menschen auf den natürlichen Lebensraum

Ziel ist es, diese Art am Leben zu erhalten und die Population zu vergrößern. In Vietnam werden bereits Krokodilschwanzechsen gezüchtet. „Damit die Auswilderung dieser Tiere gelingt, müssen wir vorher so viel wie möglich über sie wissen. Über ihre genetischen Verwandtschaftsverhältnisse und ihren natürlichen Lebensraum zum Beispiel. Und über ihren Platz in der Nahrungskette.“ Aber auch die äußeren Einflüsse sind wichtig: Wie wirkt sich der dortige Kohleabbau auf die Echsenpopulation aus? Welche Folgen hat die voranschreitende Rodung vietnamesischer Wälder? Und welche Rolle spielt der Klimawandel? Das alles ist wichtig, wenn man verhindern möchte, dass dieser Planet eine weitere seiner Arten für immer verliert.

Das ist Monas Motivation für ihre Arbeit. Und die ist wirklich kein Zuckerschlecken. Im Gegenteil: Tatsächlich gibt es in Vietnam gerne mal frisches Blut zu trinken. Und gekochte Gänseeier inklusive Embryo mit Schnabel, Füßen, Federn und Knochen gelten als Delikatesse. „Da war Hund fast schon angenehm normal, er hat beinahe wie Wild geschmeckt.“Trotzdem besteht ihre Arbeit natürlich nicht nur aus abenteuerlichen Wanderungen durch den Urwald und kulinarischen Herausforderungen. Auch die akribische Auswertung der gesammelten Daten gehört dazu. Und die findet dann eben doch im Studierzimmer in Deutschland statt. Beziehungsweise in einem Büro in der Kölner Uni. Hier unterstützt und betreut sie zusätzlich Bachelor- und Masterstudenten bei ihren Abschlussarbeiten.

Nebenbei hält sie Vorträge, zum Beispiel in Schweden, und hat gerade eine Arbeit für den WWF beendet. Es ging um ein Schutzprojekt für Elefanten, die wegen ihres Elfenbeins getötet werden. Ach ja, und in Afrika war sie auch sechs Wochen, schließlich leben dort ebenfalls Echsen. Ihr Traum ist es, eines Tages Direktorin oder Kuratorin eines Zoos zu sein und sich weiter für den Schutz „ihrer“ Echsen einzusetzen.

Im Mai nimmt sie die Feldarbeit wieder auf und fliegt nach Asien. Als ich sie frage, ob es ihr nicht manchmal unheimlich ist nachts im Dschungel, antwortet sie: „Unheimlich ist es eigentlich immer!“ Aber sie lacht dabei. Und ich werde fast neidisch. Fast. 🙂

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Die Bilder stammen alle von Mona van Schingen.

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